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Der Weltknoten

Commedia dell’arte

 

 

 

 

Zwischenspiel

 

Bühne der Commedia dell'arte. Helles Licht. Das Bett zweigeteilt und lädiert, eine Hälfte links, die andere Hälfte rechts auf der Bühne. Dazwischen der Tisch, ebenfalls lädiert, vor der offenen Luke. Je ein Sessel bei einer Betthälfte. Ein Rest der Wacholder hinten an der Wand zwischen Fenster und Tür. Ahnengalerie: Pantalone I. hängt schief, alle anderen Bilder verschwunden.

 

 

 

1.Szene

(Pantalone liegt ohnmächtig auf der rechten Betthälfte)

Colombine (rüttelt Pantalone): Der ist hin!

Dottore (Halskrause zerzaust, zerbeulter Hut, kommt etwas torkelnd, legt eine Klistierspritze behutsam auf den Tisch, schaut zu Colombine): Wer den Schuldigen loslässt, verurteilt den Unschuldigen! (geht ab)

Colombine (ruft hinterher): Wer hier schuldig ist, ist doch wohl klar!

Dottore (bringt ein Glas mit schwarzer Flüssigkeit, stellt es behutsam auf den Tisch): Machen Sie keinen neuen Ärger!

Colombine (spielt mit der Spritze): Wollen Sie dem noch eine Brise verpassen?

Dottore (schwitzt schrecklich, trocknet Hals und Stirn mit großem weißem Tuch, holt den Flachmann heraus, nimmt hastig einen Schluck, steckt die Flasche weg, zeigt mit dem Kopf zu Pantalone): Es fällt mir nicht leicht. (streckt die Hand aus als Zeichen, dass er die Spritze haben möchte)

Colombine (gibt ihm die Spritze): Gnadenstoß?

Dottore (nimmt die Spritze, sinkt auf den Stuhl): Oh Gott!

Colombine (zeigt auf Pantalone): Der ist ein Fall für den Teufel.

Dottore (steht auf): Abwarten! (steckt die Spritze in die schwarze Flüssigkeit, füllt sie) Gottes Mühlen mahlen langsam, aber trefflich klein. (zittert hörbar)

Colombine: Fast hätte ich ihn geheiratet.

Dottore: Heuchelei bekommt's Geld, Wahrheit geht betteln.

Colombine: Sie glauben mir nicht?

Dottore: Frauen sagen wohl Wahrheit – aber nie ganz! (tritt zu Pantalone ans Bett)

Colombine: Ich hätte ihn genommen!

Dottore: Und wer hat gerufen: Los endlich?

Colombine: Ich hätte ihn geheiratet. Obwohl er ein elender Mörder war!

Dottore: Lässt sich nachholen! Noch ist er nicht tot! (beugt sich über Pantalone, lauscht) Hat er erst meine Medizin, wird er wieder munter!

Colombine: Sie wollen ihn retten? Nach all dem?

Dottore: Wer soll denn die Geschäfte voranbringen? (wälzt Pantalone auf den Bauch, versucht, den Popo frei zu kriegen)

Colombine: Können Sie die Geschäfte nicht viel besser machen? (hockt sich auf die linke Betthälfte)

Dottore: Ich?

Colombine: Ja, Sie! Mit Ihrem Wissen!

Dottore: Habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht. (legt Pantalones Popo frei)

Colombine: Keinen Mut, wie?

Dottore (hält ein): Sie würden mir das zutrauen?

Colombine: So wie ich Sie kenne. Kluger Mensch. Tapfer auch. Geschäfte sind Geschäfte!

Dottore: Sagen Sie das nicht. Der Massa, eh, der Chef, hat so seine Tricks drauf. Sie haben das ja erlebt. (will das Klistier ansetzen)

Colombine: Wollen wir heiraten?

Dottore (verblüfft): Wir?

Colombine: Aber Sie müssen den Laden übernehmen.

Dottore: Sie mich heiraten? (skeptisch) Eben hatten Sie es noch auf den abgesehen!

Colombine: Ich heirate Sie!

Dottore: Sagen Sie das noch einmal.

Colombine: Ich heirate Sie!

Dottore (glättet seinen Kragen): Das trifft mich ja ganz unvermutet.

Colombine: Mich auch.

Dottore: Sie? (legt das Klistier ab)

Colombine: Ich dachte, ich werde an den verkuppelt.

Dottore: Deswegen haben Sie hier herumkokeln lassen? Um den los zu werden? Eben noch sagten Sie, Sie hätten ihn genommen!

Colombine: Neue Lage. Jetzt bin ich in Sie vernarrt! Wir heiraten und machen uns selbständig. Wir zwei! Ist das ein Vorschlag?

Dottore (hingerissen): Colombine! Sie öffnen mir das Herz. Auf einmal passt die ganze Welt hinein.

Colombine: Mal langsam. Ich kann nicht versprechen, dass ich immer treu bin. Manchmal gefällt mir einer, ein Schlanker oder ein Kräftiger, einer, der nicht über alle Maßen gelehrt ist, aber gut bei Sache, na ja, und dann...

Dottore: Ich tue, was Sie wollen! Und hier (macht Geste) bin ich auch noch ganz gut.

Colombine: Gib mir einen Kuss!

Dottore: Einen Kuss?

Colombine: Traust dich nicht? (tritt zu ihm, bietet ihren Mund)

Dottore: Na dann! (langer Kuss. unterdessen kommt Pantalone zu sich, sieht, obwohl bäuchlings liegend, die Küssenden, stellt sich wieder ohnmächtig) Jetzt beginnt das Leben!

Colombine: Den werfen wir runter! (zeigt zum Loch)

Dottore: Den Chef?

Colombine: Du bist der Chef!

Dottore: Courage schützt vor Blamage, wie?

Colombine: Komm, runter mit ihm! (da Dottore zögert) Hat er nicht reihenweise Frauen umgebracht? Wenn er noch lebte, gehörte er ins Kittchen! Oder auf den elektrischen Stuhl!

Dottore: Ja, er hat es wirklich toll getrieben. Man konnte nicht einverstanden sein.

Colombine: Und warum zögerst du?

Dottore: Immerhin habe ich mich von ihm nicht mehr duzen lassen. Das ging wirklich zu weit.

Colombine: Also los jetzt! (packt Pantalone an den Füßen)

Dottore: Du vergisst, wie mächtig er ist. Überall hat er seine Besitzungen, seine Banken, seine Fabriken. So einen großen Mann kann man nicht einfach ins Kittchen sperren. Das würde er uns nie verzeihen!

Pantalone (hebt den Kopf, schwach): Brav, Dottore, brav!

Colombine: Himmel! (rettet sich auf das linke Bett) Das kann doch nicht wahr sein!

Dottore: Chef, Sie leben! Ich bin ja hocherfreut! (eilt zum Klistier)

Pantalone (hebt den Kopf): Beginn! (fällt wieder in Ohnmacht)

Dottore: Jetzt ist er wieder ohnmächtig, der Ärmste.

Colombine: Das Schwein!

Dottore: Ich muss ihm helfen.

Colombine: Und wer hilft mir?

Dottore: Dir?

Colombine: Bin ich nicht ganz ausgehungert? Eben dacht ich, ich bekäme einen Mann, einen starken, der mich gut beschläft, beschützt und ernährt.

Dottore (legt das Klistier wieder ab): Du machst es mir aber wirklich schwer.

Colombine: Komm, lieb mich! (macht die Beine breit)

Dottore: Gern. Sehr gern. Aber wenn der Chef inzwischen...

Colombine: Du bist der Chef! Begreif das doch! Sogar hier in meinem Herzen. (holt ihre linke Brust hervor)

Dottore: Das überzeugt! (sinkt an ihren Busen)

Pantalone (hebt den Kopf, sieht die Situation, stöhnt auf, fällt zurück)

Dottore (löst sich): Hör nur, wie er leidet!

Colombine (verhüllt ihren Busen): Na und?

Dottore: Er ist ein Mensch. Ich bin Dottore. Ich muss ihm helfen.

Colombine: Er oder ich!

Dottore: Hör zu! Ich helfe ihm, und dann sag ich ihm, dass es aus ist zwischen mir und ihm, dass ich dich heirate, dass er sich einen anderen Arzt suchen muss. Einverstanden?

Colombine: Er kriegt dich ja doch wieder herum.

Dottore: Das wird er nicht! Schließlich läuft mir nicht alle Tage eine so hübsche Braut über den Weg. Da wäre ich doch ein Trottel vor aller Welt, wenn ich die historische Chance nicht nutzen würde. Komm, hilf mir. (greift zum Klistier)

Colombine: Ohne mich!

Dottore: Na gut, ich schaff es auch allein. Und wenn er wieder auf den Beinen ist, wird geheiratet. (schiebt Pantalone das Klistier in den Popo und verabreicht ihm die Medizin, bis das Klistier leer ist, Pantalone stöhnt)

Colombine (im Schneidersitz auf ihrer Betthälfte): Dottore, der Menschenfreund.

Dottore: Ein guter Freund, ein guter Arzt.

Colombine: Wie bitte?

Dottore: Es würd' ein jeder Doktor sein, wenn's Wissen einging wie der Wein. (legt das Klistier ab, verhüllt den Popo, dreht Pantalone wieder herum) So, gleich wird er aufstehen. Du wirst es erleben.

Colombine: Na gute Luft.

 

 

 

2.Szene

 

Pantalone (kommt zu sich, schwach): Dottore, was ist uns widerfahren!

Dottore: Wenn Sie mich fragen,...

Pantalone: Schamlos überfallen hat man uns!

Dottore: Man könnte sagen: Je größer das Verbrechen, desto weniger glaubt man daran.

Pantalone: Sie sagen es! Es wird sich regeln lassen.

Dottore: Herr, ich sehe, Sie wissen Bescheid.

Colombine: Lügner!

Pantalone (hebt den Kopf, lässt ihn wieder sinken)

Dottore: An sich, ich meine, angefangen hat es ja damit, dass Sie ganz versessen waren auf... auf frisches Gemüse sozusagen. Man sollte das vielleicht nicht übersehen. Und dann Ihr Alter! Aber das ist vielleicht am wenigsten überraschend. Das erklärt sogar alles. Fast alles.

Pantalone: Was reden Sie denn?

Colombine: Gib's ihm!

Dottore: Ja, ich meine, wenn Sie verstehen, was ich meine, dass es immerhin nicht ganz gewöhnlich ist, was Sie in Ihrem Alter so vernascht haben. Da könnte man sich schon vorstellen, dass sich jemand findet, jemand von Einfluss, dem das nicht passt. Nicht wahr! Und so eskaliert dann das Verbrechen.

Pantalone: Verbrecher? Ich?

Dottore: Wie das Verbrechen, so die Strafe. Sagt man.

Pantalone: Sie haben wohl völlig die Übersicht verloren? An mir wurde ein Verbrechen verübt. An mir! Hinterhältig. Aus dem Untergrund. (wieder erschöpft) War es nicht so?

Dottore: Aber das mein ich doch, Chef!

Colombine: Dotti!

Pantalone: Wer ist denn die? Ach richtig, sie küssten sich.

Dottore: Meine Braut.

Pantalone: Kenne ich sie?

Dottore: Wer's Glück hat, führt die Braut heim.

Pantalone: Ist das nicht meine Braut? (rappelt sich hoch, stützt sich auf einen Arm) Ja, das ist doch, das ist... Wie heißt du?

Colombine: Smeraldina!

Pantalone: Smeraldina? (lässt sich zurücksinken) Kenn ich nicht.

Dottore: Sobald Sie gesund sind, werde ich Smeraldina heiraten.

Pantalone: Sie wollen mich verlassen?

Dottore: Nicht überhaupt, aber immerhin. Schließlich bin ich auch nicht mehr der Jüngste.

Colombine: Leider.

Pantalone: Was sagt sie?

Dottore: Sie wünscht Ihnen gute Besserung.

Pantalone: Komm her, mein Kind. Ich will dir danken.

Dottore: Ah, Chef, keine überflüssige Aufregung bitte.

Pantalone: Dass Sie mich verlassen wollen, soll mich nicht aufregen? Eben bin ich von den Totgesagten wieder auferstanden, habe mich zum historischen Neubeginn entschlossen, da versagt mir mein Arzt die Zuwendung. (bemüht sich vergebens, sich im Bett aufzusetzen)

Dottore: Sie müssen ruhen.

Pantalone: Gib mir noch so ein Ding! Ich spüre, das hilft mir. (hält ihm seinen Hintern hin) Los, beeil dich!

Dottore: Entschuldigung, aber...

Pantalone: Na?

Dottore: Die Mischung, Chef, ist einmalig, unwiederholbar.

Pantalone: Und was steht da auf dem Tisch?

Dottore: Das? Nicht für Sie! Außerdem, viel zu wenig, sehen Sie! (hält das fast leere Glas hoch, stellt es dann unterm Tisch ab)

Pantalone: Jetzt erinnere ich mich! Colombine! Colombine heißt du! Du Kratzbürste! Du Giftkröte! Du bist nicht seine, du bist meine Braut!

Colombine: Die Medizin scheint aber nicht die beste zu sein.

Pantalone: Wieso?

Dottore: Sie meint, wie ich das schon sagte. Sie sollten erst einmal gründlich ruhen, dann sieht die Welt ganz anders aus.

Pantalone: Die Welt sieht beschissen aus. Das weiß ich. Da muss ich nicht ruhen, um das zu begreifen. Da brauch ich mir nur diese kleine Hexe anzusehen. Ich will sie heiraten, sie will mich umbringen! Das ist die Lage der Nation! (sieht in dem Moment die ramponierte Ahnengalerie) Hier, Chaos! Ist das nicht entsetzlich? Das ist der Zustand der Welt. Aber ich sage euch, lasst mich mal machen. So bleibt das nicht. So nicht. Nun hilf mir endlich auf!

Colombine (leise): Siehst du, er duzt dich schon wieder.

Dottore: Also duzen ist nicht! Da müssten Sie mich schon sehr höflich bitten.

Pantalone: Was soll das heißen?

Dottore: Ich lasse mich von Ihnen nicht mehr kommandieren.

Colombine: Na endlich! Gib's ihm!

Pantalone: Du halt dich mal raus. Du hast froh zu sein, dass ich dir verzeihe. Es fällt mir nicht gerade leicht, aber ich verzeihe dir. Ich will dich sogar heiraten, nach all dem, was du mir angetan hast. Aber du, Dottore, du bist eine Null, bist bankrott, wenn ich dich nicht mehr bezahle. Also benimm dich gefälligst entsprechend.

Dottore: Soll das eine Drohung sein?

Pantalone: Wenn du das so siehst.

Dottore: Dann muss ich immerhin anmerken, dass Sie noch eben arg krank darniederlagen, weil Sie vom Untergrund niedergestreckt wurden, wie Sie das sehen, aber eigentlich von den überfallenen Anrainern, den Angehörigen von Hanka und Madelaine, also, mit Verlaub, nicht ganz grundlos!

Pantalone: Pfui! Nennst du das Bewältigung der Geschichte? Immer wieder die ollen Kamellen aufwärmen? Das ist doch längst vergessen und vergeben! Na ja, vielleicht zahl ich in fünfzig Jahren ein bisschen Schmerzensgeld.

Dottore: Der Weise schweigt, der Narr vergisst!

Pantalone: Ja, das kannst du, dich in irgendeine abgestandene Weisheit flüchten, die niemand interessiert. Die Geschäfte müssen florieren, mein Bester, das ist der Punkt. Bring mir endlich die Notierungen!

Colombine: Nein!

Dottore: Nein.

Pantalone (setzt sich auf): Außerdem hab ich Appetit. Bring für uns zwei. Türkischen Mokka, Kognak, Löffelbiskuits und Pralinen! Ich werde mich mit Colombine verloben. Endlich. Unwiderruflich!

Dottore: Aber Chef, die ist gefährlich! Das wissen Sie doch!

Pantalone: Gefährlich? Die Kleine? Sie war es. Jetzt wird sie brav. Sonst verhungert sie. Außerdem bin ich fast wieder fit. Deine Medizin ist gar nicht so übel. Sie baut körperlich auf und sie sortiert den Geist.

Dottore: Gewusst wie!

Pantalone: Ich bin fit für die Heirat!

Colombine: Ohne mich!

Pantalone: Sachte, Mädchen, sachte. Dottore, ich will die Notierungen!

Dottore (entschuldigend zu Colombine): Die kann ich ihm bringen. Das bedeutet noch gar nichts.

Colombine: Das machst du nicht!

Dottore: Bin gleich wieder da! (ab)

Colombine (ihm nachrufend): Schlappschwanz!

 

 

3.Szene

 

Pantalone: Na, Hübsche, grollst du noch immer? (Colombine zieht sich die Bettdecke über den Kopf) Ach, ist das aufregend. Wenn ich erst wieder richtig auf den Beinen bin, erfüll ich dir jeden Wunsch. Mallorca. Miami Beach. Hawaii. Wohin du willst! Nur die besten Hotels. Bestes Personal. Eigenes Flugzeug. Von mir aus einen kleinen Freund. Aber nicht den Doktor. Den nicht. Sonst schnappt der über und denkt, er kann die Welt allein regieren. Colombinchen!

Colombine (schaut hervor): Sie sind ein fürchterlich gemeiner Mensch! (taucht wieder unter die Decke)

Pantalone: Colombine, du tust mir unrecht. Hab ich dich überfallen, oder du mich?

Colombine (kommt hervor): Und Sie? Was haben Sie getan? Menschen umgebracht. Ganz nebenbei. Zum Vergnügen.

Pantalone: Aber Kind, das musst du doch verstehen. Ich rede zwar nicht mehr gern darüber, schließlich ist es lange her, aber weil du es bist, sage ich noch einmal, was einfach wahr ist: Ich habe es getan, um dir die Welt zu Füßen legen zu können! So war es, und nicht anders! Gott ist mein Zeuge!

Colombine: Lügner!

Pantalone: Du hast also zugehört! Wir kommen uns näher.

Colombine: Nie!

Pantalone: Mädel! Was willst du? Heute ist heute! Allein das zählt. Du wirst sehen, wenn Dottore kommt, wird er beste Notierungen melden. Die Freunde aus Übersee helfen bestimmt. Nicht ganz uneigennützig höchstwahrscheinlich, zugegeben, vielleicht musst du dich da auch mal erkenntlich zeigen, kann schon sein, in absehbarer Zeit...

Colombine: Schwein!

Pantalone: Nicht doch! Sei nicht so kleinlich. (stutzt) Wo bleibt er denn?

Colombine: Er hat sich davon gemacht.

Pantalone: Hm, der nicht! Der kennt seine Futterkrippe. Allein ist der eine reine Null. Wissen ist Macht, dass ich nicht lache. Der schwätzt einem die Seele aus dem Leib, oder in den Leib, meinetwegen, aber tun, tun kann er nichts. Ohne mich ist er hilflos.

Colombine: Er wird mich heiraten, dann sollen Sie mal sehen! Dann werden wir Sie aufs Altenteil setzen und die Geschäfte selber machen.

Pantalone: Utopie, meine Liebe, reine Utopie. (will sich erheben, schafft es aber nicht, sackt auf das Bett zurück)

Colombine: Seien Sie froh, dass Sie nicht auf dem elektrischen Stuhl gelandet sind.

Pantalone: Nun lass endlich die ollen Kamellen. Die Welt will sie nicht mehr hören. Im Gegenteil, sie braucht mich, und zwar fit. Sehr fit sogar! Dottore!

 

 

 

4.Szene

 

Dottore (schiebt Servierwagen herein, entnimmt Papiere, zu Colombine): Entschuldige!

Pantalone (schaut zu dem Servierwagen): Was denn, nur Pralinen?

Dottore: Kann nicht hexen!

Pantalone: Deine Medizin wirkt verflucht langsam!

Dottore: Lachen ist die beste Medizin! (reicht ihm die Papiere)

Pantalone (studiert die Papiere): Ha! (reckt sich triumphierend hoch) Ha! Ich wusste es! Ich wusste es! Unsere Wertarbeit! Na, Dotti, was sagst du nun?

Dottore: Sie sind der Boss!

Colombine: Ich geh an den Strand! (ab)

Pantalone: He! Hier geblieben! Diese Schnepfe! Hilf mir aus dem Bett! (will aufstehen)

Dottore: Chef, das ist zu früh!

Pantalone (unterlässt den Versuch): Soll ich ewig hier herumliegen?

Dottore: Geduld, Chef, die beste Arznei ist die Geduld!

Pantalone: Ich denke das Lachen?

Dottore: Und die Geduld!

Pantalone: Und hier! (schlägt die Bettdecke auf) Nichts rührt sich! (schlägt Decke wieder zu)

Dottore: Das hat ja wahrhaftig Zeit! Wenn es überhaupt noch einmal in Gang kommt.

Pantalone: Was sagst du?

Dottore: Sie müssen sich gedulden.

Pantalone: Hab nicht mehr viel Zeit. Wo ist Colombine? (versucht, das Bett zu verlassen, stutzt) Was soll das denn? Warum steht die andre Hälfte da drüben? Ich wundere mich schon die ganze Zeit, dass das hier so knapp ist. Hast du eine Erklärung?

Dottore: Ja, wie soll ich sagen, das ist die Folge von, von, na ja...

Pantalone: Und weshalb ist meine Braut weggerannt? Warum lässt du das zu?

Dottore: Das ist auch, auch die Folge von, na ja eben... Ach, Sie wissen das doch selber! Außerdem ist es nicht Ihre Braut, sondern meine, und ich bin nicht Ihr Duzfreund! Nicht mehr. Schon lange nicht mehr!

Pantalone: Papperlapapp! Sag mir lieber, was ich tun könnte! Niemand freut sich mit mir!

Dottore: Zähl ich nicht?

Pantalone: Reicht mir nicht. Erfolge in aller Welt, aber niemand will sich mit mir freuen. Eine Schande. Oder?

Dottore: Vermutlich sind das alles die Folgen von..., na ja, Sie wissen schon!

Pantalone: Nun lass mich endlich mit deinen Folgen in Ruh! (zeigt auf die Papiere) Hier, hier sind die Folgen!

Dottore: Ja doch!

Pantalone: Und niemand freut sich.

Dottore: Wenn Ihnen meine Freude nicht genügt.

Pantalone: Meine Braut treibt sich herum! Hol sie her!

Dottore: Ich fürchte, Sie können vorläufig keiner Frau beiwohnen.

Pantalone (deckt kurz auf, dann enttäuscht wieder zu): Aber verloben kann ich mich! (streckt die Füße aus dem Bett, versucht zu stehen) Wo ist mein Stock?

Dottore: Wenn ich das wüsste.

Pantalone: Mein Stock! Aber dalli!

Dottore: Tut mir leid.

Pantalone: Dottore, mein Stock!

Dottore: Ich suche! (ab)

Pantalone: Lotterwirtschaft! (Rumoren im Untergrund) Was ist denn das? (lauscht) Geht das von vorne los? (sieht die offene Luke nach unten, entsetzt) Das Loch ist ja offen! Sperrangelweit! Wo leben wir denn? (Rumoren im Untergrund; versucht, einen Schritt hin zur Luke zu tun, kommt aber nicht weg vom Bett) Dottore! Dottore!

Dottore (nur mit dem Kopf zur Tür herein): Chef?

Pantalone (mit bebender Stimme): Wissen Sie, dass dieser Schlund offen ist?

Dottore: Natürlich!

Pantalone: Natürlich?

Dottore: Nichts zu machen. Seit diesem, Sie wissen schon, diesem, na ja, sagen wir mal, heimtückischen Überfall (ab)

Pantalone: Das kann doch nicht wahr sein! Die Börse stimmt, und dann so ein Loch! Offener Untergrund! (frohlockend) Noch gibt es das Geld! Und Klunkern! (sucht fieberhaft, findet die Steine unter seiner Matratze) Gott sei Dank! Hätte noch gefehlt, dass die ausgerechnet da drüben stecken! (holt sie hervor, schaut in den Beutel, setzt sich aufs Bett, fühlt sich unbeobachtet und sortiert, schläft darüber ein)

 

 

 

5.Szene

 

Arlecchino (Flickenkostüm, Zanni-Maske mit Beule, Pritsche im Gürtel, erscheint bis zur Brust in der Luke, legt die Arme auf den Rand, sein Kinn darauf, schaut still ins Publikum, winkt plötzlich fröhlich nach links, steckt die Zunge böse nach rechts heraus, zuckt zusammen, zögert, winkt fröhlich nach rechts, steckt die Zunge böse nach links heraus, legt die Hände als Sprachrohr vor den Mund, damit Pantalone ihn nicht hören kann, ruft fröhlich in die Mitte des Publikums): Glück auf! (hebt einen Brief hoch, leise ins Publikum) Hab hier 'ne Botschaft! Für den Alten! Geht auch mich an. (hört plötzlich eine Fliege, die ihn umkreist, verfolgt sie mit den Augen, steckt den Brief weg, beobachtet, wie die Fliege sich vor ihm niedersetzt, verhält sich ganz still, holt langsam mit dem rechten Arm aus, um die Fliege zu klatschen, klatscht die Fliege)

Pantalone (zuckt zusammen, schaut auf, starrt erschrocken auf Arlecchino, versteckt seine Klunkern und sich unter der Bettdecke, schaut aber hervor)

Arlecchino (nimmt die Fliege mit spitzen Fingern auf, betrachtet sie, rupft ihr die Flügel aus, verspeist sie)

Pantalone: Ferkel!

Arlecchino (kommt, noch kauend, weiter hervor): Glück auf!

Pantalone: Was treiben Sie in meinem Haus?

Arlecchino (schaut sich um): Ihr Haus? (langt sich das Glas, das unter dem Tisch steht, schnuppert daran)

Pantalone: Stellen Sie das zurück!

Arlecchino (trinkt das Glas bis auf einen kleinen Rest aus, schüttelt sich): Brrr, ist ja das reine Gift! (kommt noch weiter hervor)

Pantalone: Dieb!

Arlecchino (kommt ganz hervor): Nun mal sachte! Hab Ihren Dreck da draußen weggeräumt. (geht mit kurzen, sehr flinken Schritten eine Runde im Raum, tritt zu Pantalone)

Pantalone: Rühren Sie mich nicht an!

Arlecchino: Noch einmal davongekommen, wie?

Pantalone: Was wollen Sie?

Arlecchino: Habe eine Botschaft für Sie! (zeigt den Brief)

Pantalone: Sie? Für mich?

Arlecchino: Ich müsste eigentlich auch mal reingucken.

Pantalone: Tun Sie sich keinen Zwang an!

Arlecchino: Eine Botschaft! (schaut den Brief von allen Seiten an) Müssten Sie schon mal reinschauen!

Pantalone: Verzichte!

Arlecchino: Auch gut! (hockt sich auf die linke Betthälfte, öffnet den Brief)

Pantalone (beugt sich neugierig vor): Was treiben Sie da?

Arlecchino (liest): Aha! Aha! (immer fröhlicher) Aha! Gut! Gut! Schön! (will Pantalone den offenen Brief geben, streckt ihn ihm hin) Na?

Pantalone: Eine erbrochene Botschaft nehme ich nicht an!

Arlecchino: Bitte, lässt sich regeln! (steckt das Schreiben in den Umschlag, will ihn schließen, aber das klappt nicht)

Pantalone: Eindringen! Einbrechen!

Arlecchino: Kein Problem! (nimmt Brotkanten aus der Hose, beißt ein Stück ab, kaut es, verschluckt es zu seinem Kummer, beißt noch ein Stück ab, kaut vorsichtig, verschluckt es, beißt ärgerlich noch ein Stück ab, kaut es sehr vorsichtig, nimmt es schnell heraus, klebt es als Siegel auf den Brief und deponiert ihn auf dem Servierwagen) Bitte! (sieht die Pralinen) Oh! (bedient sich) Mm! (stöbert auf dem Servierwagen herum, nimmt die Papiere zur Hand)

Pantalone (erstarrt, will aufschreien, kann aber noch an sich halten)

Arlecchino (blättert hin und her): Was ist denn das für'n Scheiß?

Pantalone: Zahlenspiele, zum Zeitvertreib, völlig wertlos.

Arlecchino: Wertlos? (nascht Pralinen)

Pantalone: Völlig!

Arlecchino (wirft die Papiere in die Luke)

Pantalone: Himmel...! Was erdreisten Sie sich? Herr...?

Arlecchino: Arlecchino! (nascht Pralinen)

Pantalone: Oh, berühmter Name. Habe die Ehre, Pantalone!

Arlecchino: Ja, ja, bekannt, der Weltknoten!

Pantalone: Wie bitte?

Arlecchino: Ihnen nicht geläufig wie?

Pantalone: Erlauben Sie mal! Sie tauchen hier auf, aus dem Untergrund, nicht angemeldet, nicht erwünscht, stehlen meine Pralinen, vernichten Papiere, faseln Schwachsinn und führen sich auf, als wären Sie hier zu Hause.

Arlecchino: Richtig! Ich sollte mich ein bisschen ausruhen. (legt sich auf die linke Betthälfte, die Arme hinterm Kopf verschränkend) Hab ganz schön geschuftet da draußen

Pantalone: Was geht das mich an?

Arlecchino: Das werden Sie schon noch begreifen.

Pantalone (kann jetzt das Bett verlassen, läuft behutsam am Bett hin und her, muss sich aber festhalten): Für Halunken und Faulenzer ist hier kein Platz! Da haben Sie sich in der Tür geirrt. Das lassen Sie sich mal gesagt sein! Hier ist ein sauberes Haus! (weist auf die Ahnengalerie)

Arlecchino (zur Seite): Lügen kann er wie gedruckt!

Pantalone: Seit zwei Jahrhunderten! Ungefähr! Hier haben nur Menschen gewohnt, die immer für das Wohl der Kommune gearbeitet haben. Vierundzwanzig Stunden am Tag. Bis zum Umfallen! Wir haben keine Opfer gescheut, wenn es um den allgemeinen Wohlstand ging.

Arlecchino (zeigt auf die lädierte Ahnengalerie): Wo sind denn die Herrschaften?

Pantalone: Kommt alles wieder in Ordnung. Eine leise Erschütterung. Sonst nichts!

Arlecchino: Verstehe, der alte Trott soll wieder losgehen!

Pantalone: Unser Wirken hat sich bewährt! Und wird sich wieder bewähren.

Arlecchino: Prost Mahlzeit!

Pantalone (fühlt sich jetzt wieder fit, löst sich vom Bett, tritt einen Schritt hin zu Arlecchino): Was wollen Sie, zum Donnerwetter!?

Arlecchino (schlägt im Liegen ein Bein über das andere): Sie beerben!

Pantalone: Sie? Ich habe keinen Sohn! Leider! Deswegen will ich ja heiraten! Diese Colombine, die Schlampe.

Arlecchino: Nicht mehr nötig!

Pantalone: Was soll das heißen?

Arlecchino: Das soll heißen, dass ich Sie beerbe!

Pantalone: Sie sind nicht mein Sohn!

Arlecchino: Wir ändern das Erbrecht!

Pantalone: Das könnte Ihnen so passen.

Arlecchino: Ich fürchte, Sie werden gar nicht mehr gefragt!

Pantalone: Wo leben wir denn? (will zu Arlecchino)

Arlecchino: Nun bleiben Sie mal schön brav da drüben! Sie stinken nämlich! Nach Leiche!

Pantalone: Lümmel! (klammert sich an seine Betthälfte)

Arlecchino (verächtlich): Weltknoten!

Pantalone (der sich jetzt sichtlich erholt): Mit Ihnen rede ich nicht! Heute nicht, morgen nicht! Basta! (schaut auf den Servierwagen) Alles weggeplündert! (findet noch eine Praline, steckt sie heißhungrig in den Mund, sieht in dem Glas unterm Tisch noch einen Rest Flüssigkeit, greift sich mit Mühe das Glas, trinkt gierig, ist versucht, vor Ekel alles auszuspucken, schluckt) Brr!! (sofort agiler, hebt drohend den Finger) Jetzt mal Folgendes...

 

 

 

6. Szene

 

Colombine (in der Tür, glücklich): Arli! Hier bist du!

Arlecchino (springt vom Bett): Bienchen! (breitet die Arme aus)

Colombine (eilt ihm in die Arme, Kuss)

Pantalone (hält sich die Hände vor die Augen)

Arlecchino: Mein Bienchen!

Colombine (löst sich, spontan fabulierend):

Von Sorgen befreit sind Herz und Seele

durch der Hoffnung zarten, belebenden Kick!

Ins Land, ins kalte, kehrt Zukunft zurück.

Der alte Schinder, in seiner Höhle,

straft uns mit bösem, sengendem Blick!

Pantalone: Reim dich, oder ich fress dich!

Colombine: Von ferne sendet er, zitternd,

nur ohnmächtige Schwaden billiger Hetze

in unsre Ohren und Gottes Natur;

aber die Freiheit fegt alle Plätze!

Pantalone: Schandmaul!

Arlecchino: Bienchen, komm, wir tanzen!

Colombine (hält ihn zurück, singt):

Kleiner Mann, was nun?

Kleiner Mann, was tun!

Nun für die eigne Kasse mit Köpfchen und mit Lust,

damit das Land gedeihe, und jedem sei's bewusst!

Nur wenn wir alle schuften,

dann komm' wir auch vom Fleck!

Und eines nahen Tages ist aller alter Dreck

ganz einfach weg, weg, weg!

Pantalone: Großer Gott! Ihr seid ja übergeschnappt!

Arlecchino: Joi! Bist du gut drauf!

Colombine: Jetzt ein Tänzchen! Komm! (Sie tanzen fröhlich, anfangs durch den ganzen Raum, dann nur in der linken Hälfte)

Pantalone: He, he, jetzt reicht's aber! Dreck aufwirbeln! Seht Ihr nicht, dass hier ein Kranker liegt?

Colombine (während sie tanzt): Au, du trittst mir ja auf die Füße!

Arlecchino: (während er tanzt) Mir scheint, du musst viel gelenkiger werden!

Colombine (während sie tanzt): Das ist nun der Dank dafür, dass ich dir zu trinken brachte.

Arlecchino (während er tanzt): Und ich habe mir den Magen verdorben!

Colombine (hält ein zu tanzen): Tut's weh?

Arlecchino (hält ein zu tanzen): Ja, hier irgendwo! (hält sich den Bauch)

Colombine: Komm! (zieht Arlecchino, setzt sich mit ihm an die Luke, so dass die Beine baumeln)

Arlecchino: Ach, Bienchen!

Colombine (streichelt seinen Bauch): Wird nicht so schlimm sein.

Arlecchino: Ah, das tut gut!

Colombine: Komisch! Hast du was gegessen?

Pantalone: Eine Fliege hat er gefressen!

Colombine: Igittigitt! Was getrunken?

Arlecchino (zeigt): Aus der Flasche!

Colombine: Ach du lieber Gott! Das ist doch die Medizin für den Ollen! (massiert ihn etwas tiefer)

Arlecchino: Sollt ich's vielleicht als Klistier nehmen?

Colombine: Das ist ein Klistier!

Arlecchino: Was?

Colombine (massiert ihn prompt zwischen den Schenkeln): Du bist raffiniert!

Arlecchino: Ah, das tut gut! (beginnt, ihre Brüste zu streicheln)

Pantalone: Schluss jetzt!

Colombine (nestelt an seiner Hose): Wenn du das verdaut hast... Ah! Ich ahnte es!

Arlecchino: Nicht doch! (zeigt ins Publikum) Vor allen Leuten!

Colombine: Komm! (springt nach unten in die Luke)

Arlecchino (zu Pantalone): Bin gleich zurück! (springt nach unten in die Luke)

 

 

 

 

 

 

7. Szene

 

Pantalone (stakt zur Luke, schaut nach unten): Die reine Unterwelt! Und mich beerben! (von unten ertönt fröhliches Jauchzen) Daraus wird nichts! Diese Hungerleider sollen erst mal arbeiten! Das haben sie nämlich verlernt! (Jauchzen von unten) Unzucht treiben, das können sie!

Dottore (bringt eine Krücke, hat eine Akte unterm Arm): Chef! Probleme! (sieht den Brief auf dem Servierwagen): Ah! Sie wissen schon?

Pantalone: Ich weiß, diese Habenichtse (zeigt nach unten) haben keine Zukunft. Und Sie, Sie paktieren mit ihnen.

Dottore: Na, Moment mal! Da besteht Aufklärungsbedarf. (Jauchzen von unten, echt erstaunt) So schnell?

Pantalone (nickt): Wie die Karnickel!

Dottore: Unsere Braut?

Pantalone: Keine Beleidigung!

Dottore: Hier, (gibt ihm die Krücke) zum Festhalten!

Pantalone: Ich will meinen Stock!

Dottore: Ich würde denken, nehmen Sie mal lieber das Ding da. Man kann nie wissen. Lässt Gewalt sich blicken, geht das Recht auf Krücken.

Pantalone: Was soll das heißen?

Dottore (drängt ihm die Krücke auf): Den Brief haben Sie nicht gelesen?

Pantalone (greift zur Krücke): Fällt mir nicht ein!

Dottore: Scheint mir aber wichtig!

Pantalone (zeigt zur Luke): Das ist wichtig! Gleich kommen die wieder hoch, wenn er mit der Rammelei fertig ist! Und dann? Was dann? Können wir sie runter sperren, wie in alten Zeiten?

Dottore: Der Kluge wartet die Zeit ab! (nähert sich Pantalone vertrauensvoll) Sie haben den Brief nicht gelesen. (schlägt die Akte auf, hält sie ihm vor die Nase) Internationales Dekret!

Pantalone: International?

Dottore: Die Allierten!

Pantalone: Zeiten sind das, Zeiten! (liest) Das ist ja, das ist... Ungeheuerlich! Müssen wir uns daran halten?

Dottore: Ich fürchte, ja! (Pantalone stöhnt auf, Dottore zeigt zur rechten Betthälfte) Unser Reich wäre nun hier!

Pantalone: Schwacher Trost! (setzt sich auf die rechte Betthälfte)

Dottore: Fremder Trost ist gut, doch besser ist eigener Mut!

Pantalone: Richtig! Dottore, was ist zu tun?

Dottore: Wir müssen dem Kerl die Braut ausspannen!

Pantalone: Und sofort heiraten!

Dottore: Mit Verlaub: Sie ist eigentlich meine Braut!

Pantalone: Moment! Was auch immer vorfällt, sie ist meine Braut!

Dottore: Meine!

Pantalone: Dottore, so kommen wir nicht weiter!

Dottore: Allerdings nicht!

Pantalone: Was ist zu tun? Wollen wir würfeln? Oder schlagen Sie Pistolen vor?

Dottore: Also wenn Sie mich fragen...

Pantalone: Keine Litanei.

Dottore: ...dann würde ich doch erst einmal klären, ob Sie tatsächlich (zeigt nach unten) auf diese kleine, sagen wir Dirne, noch immer Ihr Auge werfen?

Pantalone: Nicht nur das Auge!

Dottore: Ja dann, unter diesen Umständen, ich bin auch nur ein Mensch! Schließlich war sie mir fest versprochen!

Pantalone: Von mir?

Dottore: Von ihr!

Pantalone: Sieh an, sieh an! Also, mein lieber Dottore, sagen wir mal so: Bevor wir sie nicht aus den Händen dieses Habenichts und Aufschneiders gerissen haben, ist unser Streit nur hinderlich! Das käme dem so gelegen. Wir streiten uns, und der, der, na ja, Sie wissen schon, was ich meine.

Dottore: Der bumst sie.

Pantalone: So genau wollte ich es nun auch wieder nicht wissen.

Dottore: Die viel liebeln, machen kein Paar.

Pantalone: Was ist zu tun?

Dottore: Lassen Sie sich was einfallen!

Pantalone (spaziert jetzt mit der Krücke munter, aber bedacht auf der rechten Hälfte der Bühne): Ich werde es Ihnen sagen: Sie verduften in die Küche und arrangieren ein Menü! Die neuesten Spezialitäten! Nur Importe. Klar?

Dottore: Ich kann nicht umhin zu bemerken, dass ich eigentlich und im strengen Sinne Ihr Arzt bin. Was Sie nicht zu schätzen wissen. Nun gut, nun gut. Aber Ihr Koch, Ihr Koch bin ich nicht! Nie gewesen!

Pantalone: Mann, Sein oder Nichtsein ist hier die Frage!

 

 

 

8. Szene

 

Arlecchino (kommt hervor, ordnet seine Kleidung): Bienchen, du bist eine Wucht! (ergreift ihre Hand, hilft Colombine nach oben)

Pantalone (hastig zu Dottore): Geh schon! Geh!

Dottore (erhascht sich noch einen Blick auf Colombine): Ist sie nicht süß? Wenn ich sie sehe, werd ich schwach!

Pantalone (hebt die Krücke): Himmelkreuzdonnerwetter!

Dottore: Bis gleich! (mit Servierwagen ab)

Colombine (etwas mitgenommen von der Liebe, setzt sich erst einmal an die Kante der Luke, ordnet ihre Kleidung): Weißt du, Arli, immer hatte ich Sehnsucht nach einem, der zu mir passt. Mal dacht ich, Dottore ist der Richtige. Weil er so gelehrte Sprüche macht. Früher dachte ich, dieser (zeigt auf Pantalone) olle Schwachmatikus könnte mich glücklich machen.

Pantalone (richtet sich zu voller Größe auf)

Arlecchino: Der?

Colombine: Ich könnte ihm ja vielleicht meine Hand schenken, dacht ich, und das Herz behalten. Aber jetzt bist du da.

Pantalone: Ich bin auch da! Vitaler als je zuvor!

Colombine: Ohne Sie geht es besser!

Pantalone: Ammenmärchen! (fasst nach ihr) Komm!

Arlecchino: Holla, holla! (zieht seine Pritsche)

Colombine (lässt sich von Pantalone hochziehen, zu Arlecchino): Steck deinen Prügel weg! Wirst dir doch an dem deine Finger nicht schmutzig machen! (kokett zu Pantalone) Was bieten Sie denn so?

Arlecchino: He, der Kerl wird dir goldene Karossen und weiße Strände versprechen.

Colombine (zu Arlecchino): Und was bietest du?

Arlecchino: Ich? Na hör mal!

Pantalone (der Colombine sacht zu seiner rechten Betthälfte zu ziehen versucht): Der Hungerleider wird dir ein Luftschloss nach dem anderen vorgaukeln!

Arlecchino: Lügner!

Pantalone: Selber Lügner!

Arlecchino: Bienchen, eben noch hast du mir dein Herz versprochen!

Colombine: Na und? Hab ich vielleicht gelogen? Dir mein Herz und ihm meine Hand! Warum nicht?

Arlecchino: Das kannst du doch nicht machen mit mir! (packt Colombines linke Hand, so dass Colombine mit dem Rücken zum Publikum zu stehen kommt und zwischen die Männer gerät, die sie jeder nach seiner Seite zu ziehen suchen)

Pantalone: Lassen Sie Ihre schmutzigen Finger von meiner Braut!

Arlecchino (droht mit der Pritsche): Wenn ich etwas mehr gegessen hätte als nur eine Fliege, würde ich meine Braut schon zu mir herüberholen!

Colombine: Keine Prügelei!

Pantalone (zerrt unvermindert): Lassen Sie die Dame frei wählen!

Arlecchino (zerrt unvermindert): Lassen Sie sie gefälligst los!

Pantalone: Ich denke nicht daran!

Arlecchino: Bienchen, frische Tomaten gibt's. Rotwein! Paprika! Kaviar!

Pantalone: Hör dir das an. Dieser Habenichts! Gleich kommt Dottore mit dem Allerbesten aus aller Welt! Dottore!

 

 

 

9. Szene

 

Dottore (tritt ein): Chef?

Colombine (reißt sich mit aller Macht los, so dass Pantalone und Arlecchino taumeln und hinschlagen, während sie sich dem Dottore an die Brust wirft): Rette mich vor diesen Ungeheuern!

Dottore: Aber ja! Gern!

Colombine: Komm, schnell! (zieht ihn zur Luke, steigt hinab) Los doch!

Dottore: Meine Herren, ich empfehle mich! (steigt hinab)

Arlecchino ( tritt zu den Wacholdern): Jetzt reicht's! (packt einen Kübel und wuchtet ihn in die Mitte des Raumes)

Pantalone: Was soll das denn?

Arlecchino: Sie sollten auch ein bisschen Grünzeug dazustellen!

Pantalone: Ich? Wieso ich?

Arlecchino: Ich denk, sie ist Ihre Braut?

Pantalone: Richtig! Ja, wenn ich besser zu Fuß wäre. Könnten Sie nicht für mich? Ich meine, ich würde es mir etwas kosten lassen! (fasst nach dem Beutel unterm Bett)

Arlecchino: Bin nicht käuflich!

(Jauchzen aus dem Untergrund)

Pantalone (hält ihm einen Edelstein hin): Na?

Arlecchino: Aha! Nicht übel! (tritt zu den Wacholdern) Welchen?

Pantalone (zeigt mit der Krücke): Den!

Arlecchino: Nur unter Protest! (packt den Wacholder, stellt ihn zu dem Kübel in der Mitte) So! Hübsch, nicht? (hält die Hand auf)

Pantalone: Sehr hübsch! (gibt ihm den Stein)

Arlecchino: Durch die Blume kann man sich viel besser unterhalten.

Pantalone (tritt von rechts zur Luke, schaut nach unten): Na, Dottore? Alles klar?

Arlecchino (tritt von links an die Luke): Na, Bienchen? Alles klar?

 

 

 

10. Szene

 

Colombine (kommt hoch): Ja, ja! (ordnet ihre Kleidung) Jetzt hab ich aber wirklich Hunger, Arli!

Arlecchino: Na und? Ich auch!

Dottore (kommt hoch, ziemlich derangiert, aber aufgekratzt): Ich hol uns was zu futtern! (zu Pantalone) Verzeihung, wo die Liebe hinfällt!

Pantalone (drohend): Wie bitte?

Dottore (sieht die Wacholder): Oh! Feststimmung?

Pantalone: Für meine Hochzeit! (will Colombine ergreifen)

Colombine (entschlüpft ihm zur linken Betthälfte): Arli, wir haben einen Vorschlag!

Dottore (zu Pantalone): Verzeihung, Chef! (wendet sich zu Colombine und Arlecchino) Guter Vorschlag, guter Nachschlag.

Pantalone: Dottore, ich höre!

Dottore (zu Pantalone): Ganz ruhig, mein Herr! (zu Arlecchino, fasst Colombines Hand) Wir zwei verloben uns!

Colombine (steigt auf die linke Betthälfte): Er zieht hier ein, und (zu Arlecchino, zeigt unters Bett) du eventuell da!

Arlecchino: Gleich heiraten?

Pantalone: Das möchte ich auch fragen!

Arlecchino: Mischen Sie sich mal nicht ein! (zu beiden) Muss das sein?

Dottore: Ich sagte "verloben"!

Arlecchino (zeigt zur Luke): Das habt ihr schon erledigt!

Pantalone: Ich bin Zeuge, ich... Hoi!! (wird von einem Juckreiz auf dem Bauch gepackt, so dass er sich dieser Angelegenheit zuwenden muss, kratzt sich wild)

Arlecchino: Habt ihr oder habt ihr nicht?

Colombine: Doch nicht, wie du denkst!

Dottore: Überhaupt nicht, wie Sie denken!

Arlecchino (sinkt erschöpft auf die linke Betthälfte): Wenn ich nicht solch einen Hunger hätte!

Dottore: Hunger! Natürlich Hunger! Gleich bin ich wieder da! (eilt an dem noch immer mit dem Juckreiz beschäftigten Pantalone vorbei durch die Tür ab)

Arlecchino (zu Colombine): Du Treulose!

Colombine: Na Moment mal! Sollte ich ihn becircen und zu uns herüberlocken?

Arlecchino: Ja doch, ja! Aber doch nicht gleich losrammeln!

Colombine: Pfui, bist du ordinär!

Arlecchino: Bin eifersüchtig!

Dottore (kurvt mit gefülltem Servierwagen an Pantalone vorbei zur linken Betthälfte): Jetzt wird gefuttert! Gelle! (nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Flachmann) Bedient euch!

Pantalone (hatte den vorbeieilenden Dottore gespürt, hatte von seinem Bauch abgelassen und dem Dottore nachgeschaut, nun mit vernichtender Stimme): Dottore!

Dottore (zuckt mit den Schultern): Die Zeiten, die Zeiten! (nimmt noch einen kräftigen Schluck aus dem Flachmann)

Arlecchino (mampfend): Mischen Sie sich nicht ein in unsere inneren Angelegenheiten! (stutzt, stellt den Teller ab, juckt sich unter der Schulter, nimmt den Teller wieder zur Hand, mampft weiter)

Colombine (mampfend): Vielleicht, Dotti, ob du für den Anfang da unten einziehen könntest?

Dottore (immer mit halbem Auge bei Pantalone): Ich?

Colombine: Oder (begeistert von ihrer Idee) ...wir leben zu dritt! Moderne Zeiten! Mal du, mal du. Ab und zu kann ich ja auch da runter gehen. Könnt ihr zwei... Arli, was meinst du?

Arlecchino: Das stinkt mir!

Pantalone (der bis zu den Wacholdern zur Mitte tritt): Dottore, ich appelliere an Ihr Gewissen! Wie können Sie sich mit dem Abschaum einlassen?

Colombine (tänzelt ebenfalls zur Mitte): Na, der Herr, was bietet er denn? (Arlecchino und Dottore schauen sofort beunruhigt)

Pantalone: Du kennst mein Angebot!

Arlecchino: Ich auch! (packt einen weiteren Kübel und wuchtet ihn in die Mitte des Raumes) So!

Pantalone: Ich protestiere!

Dottore: Wie soll ich mit dem Wagen zurück?

Colombine: Wahrhaftig, Arli, wie meinst du das? Soll ich mich mit dem Herrn nicht mehr unterhalten?

Arlecchino: Hast du schon alles vergessen?

Colombine: Aber das kann man ihm doch nicht ewig vorwerfen!

Dottore: Ich muss sagen, ich bin äußerst verunsichert!

Arlecchino (sichtlich gestärkt, den letzten Bissen hinunterschluckend): Ja, Herrschaften, dann muss ich ein bisschen weiter ausholen. (zu den beiden) Setzt euch mal auf euren Platz! (zeigt zur linken Betthälfte) Was Grundsätzliches!

Colombine: Du bist einverstanden, Arli? (packt Dottore) Komm! (zieht ihn zu sich aufs Bett, überfällt ihn mit Küssen)

Pantalone (tritt so weit wie möglich zur Mitte heran, neigt sich vor und legt die Hand ans Ohr): Na und, junger Mann? Ihre Grundsätze?

Arlecchino: Folgendes! Der Weltknoten! Moment! (zieht seine Pritsche, um mit ihr wie mit einem Taktstock seine Rede zu bekräftigen, wobei er die Pritsche auch mal zwischen die Beine steckt, so dass sie vorn hervorschaut, was Colombine jedes Mal mit Aufmerksamkeit quittiert) Also, der Weltknoten! Er ist das Ungelöste am Schicksal! Klar? Er steckt in der Existenz des Daseins, und zwar als eine Macht, die sich versteckt. Scheint es! Weil sie allumfassend und immer da ist, ist sie so überall, dass sie sich gar nicht zu verstecken braucht. Jeder glaubt, es gibt nichts anderes, kann gar nichts anderes geben als diesen verdammten Weltknoten. Deshalb müssen wir einen Sprung machen ins noch nicht Bewusste, in die tiefere Wahrheit, die da heißt, die Erlösung kommt durch die Lösung des Knotens! Klar? Der Sprung in die Tiefe der Wahrheit ist ein Sprung in das Noch-Nicht der Geschichte. Das ist schwer! Kaum zu schaffen! Abenteuerlich. Zu springen und nicht zu wissen, ob das Leere, das Unbestimmte, das Unentschiedene als ein Beginn im Nichts und aus dem Nichts dennoch als ein Anfang in die Geschichte kommt. Denn das Nichts ist ja eben gar kein Nichts, sondern ein Knoten, der alles enthält, was wir brauchen, wenn wir ihn nur lösen! (steckt die Pritsche wieder in den Gürtel) Das ist die Perspektive! Und wir fangen an!

Colombine: Arli, du bist ja ein Genie! (fällt ihm um den Hals)

Dottore: Dunkel ist der Rede Sinn!

Pantalone (zu Dottore, vergnügt): Der meint mich!

Colombine (zu Pantalone): Oller Stänkerer! Du Arli, (zieht ihn nach vorn, nur zu ihm) ich hab nichts verstanden!

Arlecchino: Kein Problem! Bienchen, komm! (zieht sie zur Luke und nach unten) Ich erklär dir's!

Colombine: Dotti, kommst du mit? Oder hast du alles verstanden?

Pantalone (kratzt sich wieder wie besessen)

Dottore (der Pantalone beobachtet): Geh schon. Ich komme gleich!

Colombine (jauchzt, da sie von Arlecchino gekitzelt wird): Oder hol uns noch bisschen was Exquisites, ja? (jauchzend ab)

 

 

 

11. Szene

 

Pantalone (hält ein, sich zu kratzen): Dottore! Du hast sie genossen! Die Leidenschaft ist befriedigt. Nun sei vernünftig, überlass sie mir!

Dottore (tritt zur Luke, schaut nach unten): Ein schönes Weib hat den Teufel im Leib!

Pantalone: So sind sie, die schönen Weiber! Natur! Verstehst du! Natur! Ewiger Beginn! (wird wieder vom Juckreiz überfallen, kratzt sich heftig)

Dottore: Was haben Sie denn?

Pantalone (schaut vorn in seine Hose): Wenn ich das wüsste!

Dottore: Wenn der Bock satt ist, jucken ihm die Hörner!

Pantalone: Schön wär's! (kratzt sich) Infernalisch! Aus heiterem Himmel! Hast du nicht irgendein Pulver oder was?

Dottore: Doch, doch, hätt ich schon! (schaut neugierig durch die Luke nach unten, Jauchzen Colombines zu hören) Oh!

Pantalone: Hilf mir!

Dottore (nimmt enttäuscht Abschied): Das Glück ist keinem treu! Chef, ich komme! (eilt zum Servierwagen, entnimmt eine Pulverdose, stäubt Pantalone von oben bis unten ein)

Pantalone: Hier, Mann, hier! (zeigt seinen Bauch)

Dottore: Der Bauch hat keine Ohren, wie? (stutzt, visiert den Bauchnabel scharf an) Was ist das denn?

Pantalone: Was?

Dottore (greift mit spitzen Fingern zum Bauchnabel, packt einen Winzling) Das!

Pantalone: Eine Wanze?

Dottore (schaut zur Luke): Altes Modell!

Pantalone (nickt mit dem Kopf in Richtung Luke): Von dem?

Dottore (nickt)

Pantalone: Gib her. (nimmt die Wanze, zerdrückt sie zwischen den Fingern) Beginn, Dottore, ewiger Beginn!

Dottore: Sie wollen sie trotzdem, die Schlampe?

Pantalone: Jetzt erst recht! Hier (zeigt mit seiner Krücke zwischen die Wacholder) stellst du unseren Wagen hin. Mit Bananen, Apfelsinen, Sacher-Torte!, 4711, große Flasche... einen Prospekt, den buntesten, von Mallorca... und, ja, ein Modell von VW, oder, besser, von Mercedes.

Dottore: Und ich, Chef? (hält die Hand auf)

Pantalone: Du kommst in den Aufsichtsrat!

Dottore: Aha. Na ja, vorerst...

Pantalone: Was heißt vorerst?

Dottore: Ein paar Aktien, wäre auch ganz schön!

Pantalone: Das hängt doch dran, Mann! Noch eins: Hier muss ein neues Bett her.

Dottore: Wasserbett?

Pantalone: Nicht unbedingt. Aber sanft und hübsch! Ach, wenn ich nur daran denke, zuckt mir der Schlingel!

Dottore (mahnend): Wem Gott ein Weib gibt, dem gibt er auch Geduld!

Pantalone: Deine Sprüche!

Dottore: Ein weiser Spruch ist ein Freund in Gefahr!

Pantalone: (tritt von rechts an die Luke): So ruhig da unten!

Dottore: Er erklärt ihr den Weltknoten!

Pantalone: Und wir werden ihr ihn zeigen! Los, beeil dich!

Dottore: Ach, Chef, und Sie verzeihen mir wirklich?

Pantalone: Beeil dich!

 Dottore: Ich bin ja so froh! (schnell mit dem Servierwagen ab)

Pantalone (selbstzufrieden): Der Herr Dottore weiß doch, wo es lang geht auf der Welt! (tritt an die Luke, schaut nach unten, richtet sich zufrieden auf, packt einen Säulenwacholder und zerrt ihn in die Mitte) Dottore! Wie lange soll das dauern? (bemüht sich um die Stelle, wohin er den Servierwagen gestellt haben möchte)

Dottore (hastet hoffärtig mit dem Servierwagen herein, darauf das gewünschte Sortiment, schiebt den Wagen an die von Pantalone mit der Krücke gezeigte Stelle): Als Psychotherapeut, als der ich mich gelegentlich empfinde, (legt letzte Hand an) kann ich eine so hervorragende Zielanordnung nur begrüßen!

Pantalone: Gut! Nicht? Das wird sie verführen! Ach, Mann, die Bananen fehlen!

Dottore: Oh, Entschuldigung! (eilig ab)

 

 

 

12. Szene

 

Arlecchino: Iiiiiih! (quillt aus der Luke, eilt wie ein von Furien Verfolgter in der linken Bühnenhälfte herum und kratzt sich überall wie besessen)

Pantalone (nimmt gemütlich auf der rechten Betthälfte Platz, schaut)

Colombine (kommt aus der Luke hervor): Was hast du denn?

Arlecchino (kratzt sich): Juckt überall! (sieht erst jetzt die Veränderung, hält ein, sich zu kratzen) Schau dir das an!

Colombine: Schön! (schaut über die Wacholder, bestaunt die Gegenstände auf dem Servierwagen)

Arlecchino: Rühr nichts an!

Colombine: Nein?

Pantalone: Komm rüber! Alles für dich!

Colombine: Tatsächlich? Du, Arli, hörst du, das ist für uns!

Arlecchino (der sich inzwischen wieder kratzt): Hilf mir lieber!

Colombine (zu Pantalone): Moment, ich nehme mir gleich! (wendet sich Arlecchino zu) Immer hast du Probleme!

Arlecchino (zieht seine Hose herunter, zeigt ihr seinen Hintern): Schau doch mal!

Colombine: Oh! (schaut genauer) Eine Zecke!

Arlecchino: Zieh sie heraus!

Colombine: Iiiih! Eklig! (fasst mit spitzen Fingern zu, zieht, hat einen Winzling in der Hand, schaut): Sieht aus wie eine Wanze!

Arlecchino (zieht die Hose wieder hoch): Gib her! (nimmt den Winzling, beschaut ihn) Natürlich, eine Wanze!

Colombine: Ziemlich raffiniert, wie?

Arlecchino: Modernes Modell! (schaut zu Pantalone)

Pantalone (hebt bedauernd und Unschuld demonstrierend die Schultern)

Arlecchino: Was ist los hier?

 

 

 

13. Szene

 

Dottore (kommt mit Bananen, legt sie demonstrativ auf den Servierwagen): So, die Herrschaften!

Arlecchino: Biene, schau dir das an, dein Dottore!

Colombine: Dotti! Wie sollen wir denn das verstehen?

Arlecchino: So! (zieht seine Pritsche, pflanzt sie in einen Wacholder-Kübel) So sollen wir das verstehen!

Colombine: Das ist ja eine kalte Tour, Dotti! Und du machst mit? (plötzlicher Juckreiz, sie kratzt sich spontan, lässt sich aber nicht ablenken) Hast du denn die schönen Stunden mit mir ganz vergessen? Hast du gesagt! Schöne Stunden! Oder hast du mich angelogen?

Dottore: Die Zeiten, die Zeiten!

Colombine: Welche Zeiten?

Dottore: Ein Späßchen zur Zeit hat keinen gereut.

Colombine: Lump! (kratzt sich, zu Pantalone) Und Sie mit Ihrem Schnickschnack, den können Sie sich an den Hut stecken!

Arlecchino: Mit Gruß und Kuß!

Colombine (kratzt sich): Das juckt auf einmal! (schaut nach ihrer Brust, tastet)

Pantalone (zu Dottore): Hol das Bett!

Dottore: Ah, richtig! (eilig ab)

 

 

 

14. Szene

 

Arlecchino (zu Pantalone): Was soll das werden?

Pantalone: Vorbereitungen für meine Hochzeit!

Arlecchino (zu Colombine): Hör dir das an! Der will dich heiraten, dieser Mummelgreis! Hat's noch nicht aufgegeben. Komm, lass es jucken! Ich hol uns was Exquisites! (tritt zur Luke)

Colombine: Na, das ist ja! Bei mir auch! (packt mit spitzen Fingern einen Winzling zwischen ihren Brüsten, schaut sich das Ding an) Du, Arli, die sieht ganz anders aus als bei dir!

Pantalone (sarkastisch): Altes Modell!

Arlecchino: Seien Sie still! (setzt sich an die Luke, duckt sich in sich hinein)

Colombine (zerreibt die Wanze): Von dir, Arli? Du hast auch so was?

Arlecchino: Scheiße!

Colombine: Und ich habe so an dich geglaubt! (setzt sich niedergeschlagen auf die linke Betthälfte)

Arlecchino (greift nach unten in die Luke, holt einen Korb mit Schinken, Brot und Bier hervor): Hunger?

Colombine: Ich habe so daran geglaubt! (steht auf, geht zu Pantalones Auslagen, streift versonnen mit der Hand entlang des Wagens, wendet sich hin zu Arlecchino, sehr traurig) So viel schöne Sachen! So viel! Haben wir nicht gepackt! Haben wir einfach nicht gepackt! (setzt sich neben Arlecchino) Und dann auch noch so was! Arli, Arli!

Arlecchino: Hier! (reicht ihr Brot)

Colombine: Keinen Appetit!

Pantalone: Bisschen trocken, wie?

Arlecchino: Schnauze! Hier! (gibt Colombine den Edelstein)

Pantalone: Der Stern der Freiheit!

Colombine: Oh! Schön! Wie der funkelt! (nimmt den Stein) Danke!

Arlecchino: Kannst du mir noch einmal verzeihen?

Colombine (lässt die Beine baumeln): Kriegst den Arsch nicht mehr hoch, Arli.

Arlecchino: Ja, Bienchen.

Colombine: Und auch nicht mehr an die Wand.

Arlecchino (zieht seine leeren Taschen aus der Hose)

Colombine: Siehst du! (einige Sekunden Pause)

Arlecchino: Der Knoten war schon locker!

Colombine: Etwas, Arli, etwas!

Arlecchino: Viel zu wenig.

Colombine: Wie sich zeigt.

Arlecchino: Wer hätte das gedacht!

Colombine: Einige haben es immer gedacht.

Arlecchino: Ich nicht.

Colombine: Ich auch nicht.

Arlecchino: So ein Knoten aber auch.

Colombine: Man hätte es fast denken können.

Arlecchino: Alles falsch gemacht, Puppe!

Colombine: Ach, Arli!

Arlecchino: Fast alles!

Pantalone (böse sarkastisch): Alles!

Arlecchino: Nein! Nicht alles.

Colombine: Ja, nicht alles! (einige Sekunden Pause)

Arlecchino: Ach, Bienchen!

Colombine: Manches war ganz ordentlich.

Arlecchino: Doch, doch! Einiges hatten wir ganz gut gepackt!

Colombine: Für die kleinen Leute.

Pantalone: Tj!

Arlecchino: Sie werden dir das Fell über die Ohren ziehen.

Colombine: Die kleinen Leute doch nicht.

Arlecchino: Nein, die nicht. Der da!

Pantalone: Hö!!

Arlecchino: Die Großen. Die Haie. Die werden dir alles wegnehmen, was wir aus Trümmern gezaubert haben. Ohne Hilfe, ohne Penunze aus Übersee! Sie werden es einsacken und sagen, es sei marode und gar nichts wert. Und du wirst es ihnen sogar glauben.

Colombine: Schicksal. (einige Sekunden Pause)

Arlecchino: Und eine Gehirnwäsche werden sie mit dir anstellen, die wird sich gewaschen haben. Sie werden alles aus deinem Kopf herausspülen, was dich an mich erinnert.

Colombine: Ach, Arli!

Arlecchino: Dein Kopf wird blank und leer sein. Damit sie ihre Jauche aus Lug und Trug reinkippen können.(einige Sekunden Pause)

Colombine: Ich liebe dich!

Arlecchino: Ich dich auch!

Colombine: Gib mir noch einen Schmatz!

Arlecchino: Ja, ich gebe dir noch einen Schmatz! (küsst Colombine)

Pantalone (stellt sich von beiden unbemerkt hinter ihnen auf)

Colombine: Es war schön mit dir!

Arlecchino: Ein Versuch eben!

Colombine: Ein schöner Versuch.

Arlecchino: Wenn du meinst.

Colombine: Doch, doch!

Arlecchino: Es hat eben nicht sollen sein.

Colombine: Noch nicht, Arli!

Arlecchino: Es hatte sich so ergeben.

Colombine: Ja, ja, wird jeder verstehen.

Arlecchino: Ach, Bienchen!

Colombine: Kommst du mal wieder vorbei?

Arlecchino: Natürlich.

Colombine: Bald, Arli?

Arlecchino: Nicht so bald.

Colombine: Verstehe! (einige Sekunden Pause)

Arlecchino: In hundert Jahren wird man alles ganz anders sehen.

Colombine: Wahrscheinlich.

Arlecchino: Sehr wahrscheinlich.

Colombine: Ganz bestimmt.

Arlecchino: Vielleicht schon in fünfzig Jahren.

Colombine: Oder in vierzig.

Arlecchino: Hoffnung sei mein Wanderstab!

Colombine: Wenn du mal wieder vorbeikommst, Arli, gehst du dann wieder mit mir?

Arlecchino: Gewiß, Bienchen.

Pantalone (legt von hinten die Spitze seiner Krücke auf Colombines rechte Schulter, so dass es Arlecchino nicht sehen kann)

Colombine (zuckt zusammen): Wir müssen Schluss machen, Arli.

Arlecchino: Hast du's so eilig?

Colombine: Nein, gar nicht. Nicht, was du denkst.

Arlecchino: Drängt dich jemand?

Colombine: Gar niemand. Mein freier Entschluss! (stößt Arlecchino in das Loch)

(Feuerwerk. Dunkel. Vorhang)

 

 

 

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