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Nämlich verheiratet

 

Liebhaber-Stück

 

 

 

 

 

 

5. Aufzug

 

 

Wohnzimmer Sybilles in ihrer neuen Wohnung mit Doppelbett-Couch im Zentrum. Im Hintergrund Tür zu einem Balkon, rechts vorn Tür in den Flur, wo sich die Wohnungstür sowie die Küche und das Bad befinden.

 

Vormittag. Sonnenschein. Sybille liegt noch im Bett. Flurklingel. Sybille dreht sich noch einmal herum. Flurklingel.

Sybille: Schiete! (erhebt sich, schlurft verschlafen in den Flur und schaut zum Türspion hinaus) Der kann es auch nicht lassen! Was mach ich jetzt?  (Flurklingel) Ja doch! (zieht Bademantel über, öffnet) He!

Harald: Entschuldige! Ich dachte...

Sybille: Bin total alle!

Harald: Allein?

Sybille: Spielt sich nichts ab!

Harald: Deswegen komm ich nicht!

Sybille: Du, ich bin wirklich nicht gut drauf!

Harald: Versteh ich doch!

Sybille: Was willst du dann?

Harald (weist eine Einkaufstüte vor): Hier, hab bisschen Frühstück gekauft.

Sybille: Ich brauch nichts, Mann!

Harald: Ich dachte, du bleibst liegen, und ich mach uns Frühstück. Klar?

Sybille: Neue Tour, wie?

Harald: Kann ich nicht wenigstens erst mal reinkommen?

Sybille: Spielt sich nichts ab, du, ich sag dir’s! (lässt ihn eintreten)

Harald (tritt ein): Ja, ja, ist doch klar! Bring nur mal schnell die Sachen in die Küche! (eilt in die Küche)

Sybille (kommt zurück ins Zimmer, steigt wieder ins Bett, sarkastisch): Sobald die Herren Ehemänner sind, werden sie wunderlich!

Harald (kommt aus der Küche): Sagtest du was?

Sybille (zeigt zum Sessel): Bitte hier!

Harald: Ja, ja, Folgendes: Rührei und Schinken? Oder Honig mit Markenbutter?

Sybille: Sag bloss, du willst mich verwöhnen!

Harald: Ein bisschen! Also! Was willst du, außer Kaffee und frischen Brötchen?

Sybille: Rührei ist schon nicht übel! Wenn nicht bestimmte Bedingungen daran geknüpft sind...

Harald: Bedingungen?

Sybille: Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du eigentlich willst, wenn du nicht bumsen kommst!

Harald: Ich hab Probleme!

Sybille: Also doch deswegen!

Harald: Nein, du verstehst das falsch! Hör zu, ich hab Probleme, die möchte ich, dacht ich, könnte ich mit dir,... aber erst mal Frühstück! Bin gleich wieder da! (eilt in die Küche)

Sybille (zieht sich flugs den Bademantel wieder über, für sich): Spielt sich nichts ab, Kleiner!

Harald (ruft aus der Küche): Tina ist nämlich noch den ganzen Tag weg, weißt du. Da dachte ich, gehst zu Bille, und, na ja, kann ich jetzt nicht so brüllen... Hast bisschen Zeit für mich?

Sybille: Läuft nicht mit Tina, wie?

Harald: Ich sage dir... Neulich wollte sie mir doch tatsächlich einen... lassen wir das! Ich komme gleich, bring mal schon Geschirr und Besteck!

Sybille: Findest du’s?

Harald: Ja, ja! Komisch, hab besser Übersicht als früher!

Sybille: Wer hätte das gedacht!

Harald (mit Tablett, zwei Teller, Tassen und Besteck, kommt herein und deckt ein auf dem Tisch) Unfassbar, was man alles so braucht in einer Küche. Wir haben dauernd noch Anschaffungen!

Sybille: Den Tisch stell mal hier an die Couch, bitte!

Harald: Ah ja! (schiebt den Tisch an die Couch) Weißt du, um das mal so zwischendurch anzusprechen. Mir geht immer wieder durch den Kopf, wie du neulich, schon eine Weile her, klar, eine Andeutung machtest wegen Heiraten und so...

Sybille: Heiraten?

Harald: Ja!

Sybille: Wen?

Harald: Na mich!

Sybille: Dich?

Harald: Ja, mich! Das ist ja, was mich verrückt macht!

Sybille. Das soll ich... angedeutet haben?

Harald: Ja, hast du!

Sybille. Kann mich nicht erinnern!

Harald: Das ist mal wieder so ein Ding. Was für den einen Menschen ganz wichtig gewesen ist, war anscheinend für den anderen nebensächlich!

Sybille: Ja, so was gibt’s

Harald: Und das ist so ein Fall! Für mich jedenfalls!

Sybille: Ein Fall?

Harald: Ja! Moment! Muss noch mal in die Küche, damit mir der Schinken nicht anbrennt! (ab)

Sybille: Und die Eier müssen auch gerührt werden!

Harald: Genau! (ruft aus der Küche) Hast du mich eigentlich jemals geliebt?

Sybille (überrascht, dann): Hör mal, Junge, ich popp mit dir!

Harald: Ja, ja, schön, dass du dich erinnerst! Aber das meine ich ja nicht!

Sybille: Sondern?

Harald (kommt extra aus der Küche zur Zimmertür): Ich meine ganz simpel Liebe, was immer man darunter verstehen mag.

Sybille: Schwere Frage!

Harald: So ist es!

Sybille: Du, deine Rühreier!

Harald: Genau! (ab in die Küche)

Sybille (hüllt sich noch besser in den Mantel): So ein Frühstück hat mir gerade noch gefehlt in meiner Sammlung!

Harald (ruft aus der Küche): Ja, du, neuerdings denke ich darüber nach!

Sybille: Worüber?

Harald (kommt mit Tablett, Kaffee und Speisen, serviert): Na über Liebe!

Sybille: Lohnt sich das?

Harald: Das ist ja eben die Frage!

Sybille: Und ausgerechnet das willst du von mir wissen!

Harald: Scheint dich doch auch zu beschäftigen! Oder?

Sybille: Über Liebe spricht man nicht! Man macht sie und basta!

Harald: Siehst du! Und genau so einfach ist das eben nicht!

Sybille: Kann ja sein! Aber mich tangiert es nicht!

Harald: Du schiebst es vor dir her, du verdrängst es, aber es staut sich immer mehr an!

Sybille: Mann, wenn ich gewusst hätte, was das bringt, hätte ich die Beine breit gemacht, oh, entschuldige...

Harald: Ich glaube, ich glaube, du bist viel, viel sensibler, als du zugibst!

Sybille (erregt): Ja, verdammt noch mal! Bin ich! Und was bringt mir das? Kummer! Ärger! Also Deckel drauf!

Harald: Entschuldige, ich will dich wirklich nicht,... frühstücken wir erst einmal. Soll ich dir Brötchen zubereiten, oder kommst du ran an den Tisch?

Sybille: Ich komme! (setzt sich auf der Couch an den Tisch, nutzt die Gelegenheit, um ihm Bein zu zeigen)

Harald: Guten Appetit!

Sybille: Danke, wünsch ich dir auch! Weißt du, verwöhnt zu werden ist für eine Frau schon was Tolles! Dass du so was zustande bringst, ist Gold wert!

Harald: Danke!

Sybille: Genau deswegen, verstehst du, allein deswegen, ist die ganze Singelei Scheiße!

Harald: Oh!

Sybille: Jede Nacht könnte ich mir einen Lover hier reinlegen, aber…

Harald: Aber?

Sybille: Lust ohne Liebe ist armselig! Verdammt armselig!

Harald: Ja?

Sybille: Ist was für zwanzigjährige. Die müssen rammeln wie die Tiere. Aber dann, so ab dreißig, ist diese Popperei... jedenfalls denke ich oft darüber nach. Neuerdings!

Harald: Wenn du allein aufwachst!?

Sybille: Plötzlich hast du Angst vor dem Alter! Wenn du stundenlang wach liegst und nicht einschlafen kannst.

Harald: Sag!

Sybille: Hm! Jahr für Jahr musst du Hoffnungen begraben! Erst denkst du noch, du wirst Primaballerina in New York oder mindestens in Berlin. Dann reicht es nicht einmal für Hamburg. Und es stellt sich heraus: Für den Friedrichstadtpalast bist du nicht groß genug. Dann verknallst du dich in einen Barbesitzer, der dich durchvögelt, dass du alles vergisst und dich als Stripperin wohl fühlst! Als du feststellst, dass er dauernd andere hat, wirfst du ihn raus und er wirft dich raus. Schließlich bist du froh, dass du eine Bar findest, wo du Body zeigen kannst, aber nicht auf Zimmer musst mit den Gästen. Und du rächst dich in deiner Verzweiflung, schleifst mit nach Hause, was gut und schön ist. Und reich! Aber nichts geht zusammen! Und immer wieder rettest du dich in schöne bunte Illusionen!

Harald: Ich habe dich immer geliebt!

Sybille: Ja, Mann! Spür ich doch!

Harald: Spürst du?

Sybille: Das ist auch so was Komisches. Du kannst jede Nacht mit einem anderen bumsen, und jedes Mal spürst du, ob der dich nur nimmt, oder ob da noch was mitschwingt.

Harald: Und du hättest mich geheiratet?

Sybille: Willst du das wirklich so genau wissen?

Harald: Na sag!

Sybille: Als dich Tina eingefangen hatte, war ich echt geschockt!

Harald: Ich hatte keine Hoffnung mehr, was dich betraf!

Sybille: Und dann dachte ich, gut so! Einer, der sich einfangen lässt, ist nichts für dich!

Harald: Und es tut so gut mit dir!

Sybille: Ja, ja, irre! Das kommt dazu! Du lernst x Männer kennen, und nur bei ein, zwei tut es wirklich gut!

Harald: Zwei?

Sybille: Zwei oder drei, von mir aus!

Harald: Und ich soll dich jetzt nicht holen?

Sybille (deckt den Mantel über ihr Bein): Bitte nicht!

Harald: Bitte!

Sybille: Gut dein Frühstück!

Harald: Du hättest mich also geheiratet!

Sybille: Schluss jetzt! Deckel zu! Gut dein Frühstück! Wirklich!

Harald: Soll ich abräumen?

Sybille: Eilt nicht! (setzt sich wieder auf die Couch zurück)

Harald: Nun sitz ich da!

Sybille: Du bist verheiratet! Mach was draus!

Harald: Was bleibt mir übrig?

Sybille: Weißt du, ich könnte Bücher schreiben! Abends an der Bar. Meistens Ehemänner! Sie gehen fremd. Aber sie wissen ziemlich gut, was sie an ihrer Ehe haben.

Harald: Zum Beispiel?

Sybille: Sie wissen: Sex ist wichtig, klar! Sehr wichtig! Guter Sex! Aber eigentlich ist er nur ein Effekt nebenbei, verstehst du, wegen der Kinder und wegen der Lust. Leben, verstehst du, Leben ist noch ganz was anderes!

Harald: Bille, Bille, ich kenn dich nicht wieder!

Sybille: Deswegen arrangieren sich die Herren Ehemänner mit ihren Frauen. Irgendwie! Man lebt dran hin, gönnt sich bisschen was, betrügt sich, regelmäßig oder zufällig. Aber man hat sich! Man ist nicht allein!

Harald: Du könntest dich ja bei der „Minna“ bewerben!

Sybille: Blödel nicht, Mann! Mir ist es ernst! Bis vor kurzem, noch im Urlaub, hab ich gedacht, hab’s mir eingeredet, weil’s in den schönen bunten Magazinen steht, dass Sex alles ist. Irrtum! Schwerer Irrtum!

Harald (sehr prononciert): Man muss den richtigen Partner finden!

Sybille: Genau!

Harald: Du hast ihn gefunden?

Sybille: Hab einen im Visier!

Harald: Nein!

Sybille: Mal sehen!

Harald: Ich lass mich scheiden!

Sybille: Der Zug ist raus!

Harald: Sag das nicht!

Sybille: Du hast Tina am Pfahl!

Harald: Weib! Manchmal bist du entsetzlich prosaisch!

Sybille: Du wolltest es so, hast dich angeln lassen!

Harald: Aber...!

Sybille: Moment! Bin noch nicht fertig! Jetzt musst du erst mal durch! Verstehst du! Lote die Ehe aus, mach was draus. Arrangier dich! Du warst doch immer auch hinter Tina her, oder?

Harald: Aber dich hätte ich immer vorgezogen!

Sybille: Du bist ein Scheusal! Weißt du das?

Harald: Ich weiß, ich weiß!

Sybille: Warum hast du überhaupt geheiratet? War das so dringend?

Harald: Gute Frage!

Sybille: Sag bloß, du weißt keine Antwort!

Harald: Doch! Weiß ich!

Sybille: Na und?

Harald: Da kommt so ein Punkt, da fragst du dich, ob dir jemals eine bessere Gelegenheit über den Weg laufen wird. Du gehst mal durch in der Erinnerung, was dir so an Frauen begegnet ist, welcher du einen Korb gegeben hast, welche dir einen Korb gegeben hat, und du stellst fest unterm dicken Strich: Viel kann da eigentlich nicht mehr passieren! Die Frau deiner Träume will dich nicht, also nimmst du die Frau deiner Wünsche!

Sybille: Fein gesagt, fast druckreif!

Harald: So ist das nämlich: Du bist wie eingesperrt in deinen bescheidenen Möglichkeiten. Und Tina, immerhin, ist das beste Weib nach dir!

Sybille: In Gramm und Millimetern!

Harald: Ganz genau!

Sybille: Ich hab’s doch immer gewusst, man darf seinen Liebhaber nicht zum Frühstück da lassen!

Harald: Na, Moment mal!

Sybille: Nix Moment mal! Stimmt haargenau! Du verwickelst mich hier in Seelenkäse! So was kann ich nicht ab!

Harald: Du vergisst, dass ich gar nicht hier war in der Nacht und völlig ausgehungert bin!

Sybille: Ja, richtig! Habe ich ganz vergessen! Mir war so, als hätten wir es getrieben!

Harald: Nebenbei?

Sybille: Nebenbei!

Harald (steht prompt auf): Könnten wir nachholen! Kein Problem!

Sybille: Elender Gauner!

Harald: So ungeheuer nebenbei, du glaubst es nicht!

Sybille: Mal was Neues, wie?

Harald (tritt zu ihr)

Sybille (legt sich zurück)

Harald: Dreh dich!

Sybille: Ah ja, nebenbei! (dreht sich)

(Telefon)

Sybille (dreht sich zurück).

Harald (sinkt enttäuscht auf die Couch).

(Telefon)

Sybille (hebt ab): Ja? Hallo, Tina! Nein! Nein, ist nicht da! Tut mir leid! Ja, ich kann klingeln! Aber wenn er nicht ans Telefon geht, wird er nicht zu Hause sein. Ja, nimm ein Taxi! Klar! Die beste Lösung! Bis bald! (legt auf) Sie ist auf dem Flughafen. Hat angerufen bei euch. Du solltest sie abholen!

Harald: Sie wollte doch erst heute Abend kommen.

Sybille: Jetzt nimmt sie ein Taxi!

Harald (schaut auf die Uhr): Braucht sie eine Stunde, mindestens.

Sybille: Die gehört uns!

Harald: Ganz nebenbei!

 

 

 

- Vorhang –