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Nämlich verheiratet

 

Liebhaber-Stück

 

 

 

 

 

 

4. Aufzug

 

 

Wohnzimmer Sybilles in ihrer neuen Wohnung mit Doppelbett-Couch im Zentrum. Im Hintergrund Tür zu einem Balkon, rechts vorn Tür in den Flur, wo sich die Wohnungstür sowie die Küche und das Bad befinden.

 

Vormittag. Sonnenschein. Sybille liegt noch im Bett. Rudolf versucht vorsichtig, aus dem Bett herauszukommen, ohne Sybille aufzuwecken.

Sybille (sehr verschlafen): Was machst du denn?

Rudolf (hält ertappt ein): Nichts! (verharrt, legt sich zurück, rührt sich nicht, schaut nur vorsichtig zu ihr hinüber)

Sybille (räkelt sich, langt unter die Bettdecke): Wo ist er denn? (wird fündig) Ah, da ist er ja, der Süße.

Rudolf: Mm!

Sybille: Auch so müde wie ich?

Rudolf: Höchstwahrscheinlich!

Sybille: Schlafen wir noch ein bisschen! (dreht sich ab)

Rudolf (schaut gespannt nach Sybille, lauscht, versucht erneut, erreicht seine Kleidung, zieht Slip im Bett an, will die Hose angeln, verursacht Lärm)

Sybille: Was machst du denn?

Rudolf (erstarrt).

Sybille: Wie geht es ihm? (fasst wieder unter die Bettdecke) , (plötzlich hellwach) wie das denn?

Rudolf: Entschuldige, ich dachte, ich brüh bisschen Kaffee!

Sybille: Kannst mich doch jetzt nicht allein lassen!

Rudolf (schaut auf die Uhr): Mach ich doch nicht! (steigt aus dem Bett) Keine Spur! (zieht sich an) Gut geschlafen?

Sybille: Wie im siebten Himmel! Und du?

Rudolf: So ungefähr!

Sybille: Mein kleiner Popper!

Rudolf: Bin gleich wieder da!

Sybille: Musst pinkeln?

Rudolf: Du musst nicht alles wissen! (huscht ins Bad)

Sybille (ruft hinterher): Du bist übrigens eingesperrt. Ich habe vorsorglich abgeschlossen!

Rudolf (von draußen): Hört, hört!

Sybille: Und der Schlüssel ist zur Zeit nicht auffindbar!

Rudolf (kommt zurück): Und ich dachte, ich muss im richtigen Moment verduften!

Sybille: Wie das denn?

Rudolf. Weil du doch deine Liebhaber vorm Frühstück verabschiedest, wie ich erfahren habe.

Sybille: Bei dir weiß ich, dass du kein Süßholz raspelst! Ach, Mann, ich habe noch so schön geschlafen! Musstest du aufstehen?

Rudolf: Soll ich Kaffee aufbrühen?

Sybille: Hat Zeit, komm noch bisschen rein!

Rudolf: Ich weiß nicht, ob das Sinn macht!

Sybille: Wird sich finden! Komm!

Rudolf (unschlüssig in der Tür): Nicht erst bisschen Kaffee?

Sybille: Bleib mal so! Habe noch gar keine Gelegenheit gehabt, dich richtig anzusehen so von oben bis unten!

Rudolf: Ist bei einem Mann nicht so wichtig!

Sybille: Sag das nicht! Ein guter Body lässt sich auch gut anschauen!

Rudolf (posiert): Wenn Sie meinen!

Sybille: In der Bar ist das immer so duster!

Rudolf: Also ist nicht mein Job jetzt!

Sybille: Doch, doch, machst du ganz gut, bisschen drehen noch, Po raus, Bauch rein! Siehst du! Verstehe, warum die Frauen auf dich so scharf sind! Und dann auch noch Schauspieler!

Rudolf: Keine Beleidigung bitte!

Sybille: Wieso? Ist doch keine Beleidigung! Könntest du dir eigentlich vorstellen, dass wir zusammen mal was spielen, ein Liebespaar beispielsweise?

Rudolf: Gott, jede Frau ist irgendwo eine Schauspielerin.

Sybille: Ich bin nicht jede Frau!

Rudolf: Alles klar!

Sybille: Komm schon her, Mann!

Rudolf (setzt sich zu ihr): Hier bin ich!

Sybille: Gib zu, du wolltest verduften!

Rudolf: Nein doch, ich wollte Kaffee aufbrühen!

Sybille: Lüge nicht!

Rudolf: Mein Gott, ja, ich dachte, ich mache es dir recht! Es gibt Frauen, weißt du, denen darf man sich nicht einen Moment aufdrängen! Hat man schon verloren. Denen muss man das Gefühl geben, sie hätten die Zügel in der Hand.

Sybille: Du willst mich also beschummeln! Milde ausgedrückt!

Rudolf: Gehörst du nicht zu der Sorte?

Sybille: Gerade eben, als du so posiert hast, habe ich mir vorgenommen, dich zu angeln!

Rudolf: Teufel! Teufel!

Sybille: Wäre das so aussichtslos?

Rudolf: Was die Nächte betrifft, wahrscheinlich nicht!

Sybille: Und die Tage?

Rudolf: Müsste man darüber nachdenken.

Sybille: Was steht im Wege?

Rudolf: Eigentlich nichts, außer, ja, ich fürchte...

Sybille: Na?

Rudolf. Ich fürchte...

Sybille: Heraus mit der Sprache!

Rudolf: Ich fürchte, ich bin da einfach zu altmodisch, verstehst du? Viel zu altmodisch. Ein bisschen ausprobiert haben müsste man sich ja wohl. Oder?

Sybille: Wie lange willst du probieren?

Rudolf: Soll das ein Heiratsantrag sein?

Sybille: Nicht so förmlich, Mann! Nicht so förmlich! (fasst nach ihm) Was sagt der dazu? Oh, den bewegt das wohl gar nicht?

Rudolf: Er ist so überrascht wie ich!

Sybille: Der Ärmste! Hat er kein Stehvermögen?

Rudolf. In bestimmten Situationen hat er seinen eigenen Kopf!

Sybille: Ah, verstehe, er will nicht!

Rudolf: Kann man so nicht sagen!

Sybille: Er kneift! Wie sein Herr! Wollte sich davonstehlen, hat gar nicht mitbekommen, dass er geschätzt wird!

Rudolf: Stimmt allerdings!

Sybille: Also, Ende der Sendung! (setzt sich auf) Du machst Kaffee, ich dusche!

Rudolf (steht auf): Vielleicht, kenn mich nicht aus in deiner Küche!

Sybille: Macht nichts! (steigt aus dem Bett) Alles mühelos zu finden! Die Maschine steht auf dem Tisch, der Kaffee hängt im Glas an der Wand, der Wasserhahn ist unübersehbar! (will ab)

Rudolf: Und die Filtertüten?

Sybille (verharrt an der Tür, anerkennend): Die Filtertüten! Man kennt sich aus!

Rudolf: Wo sind die?

Sybille: Im Schrank über der Maschine!

Rudolf: Ah, bleib mal so stehen! Gut siehst du aus! Ein bisschen Bein bitte!

Sybille: Hast in der Bar genug gesehen!

Rudolf: An dir kann man sich nicht genug sehen!

Sybille (posiert denn doch animiert): Und was bietet der Herr?

Rudolf: Na komm schon!

Sybille: Oh, hat er sich’s überlegt?

Rudolf: Fühlt sich so an!

Sybille: Zeig! (wendet sich ihm zu) Nicht übel! Ich glaube, da könnte ich hängen bleiben. (sie küssen sich)

Rudolf: Komm! (löst sich) Sonst überlegt er sich’s! (legt sich auf die Couch, zieht sich die Decke über)

Sybille: Lass mich doch mal gucken! (hebt die Decke an) Wirklich ein schöner Kerl! Jedenfalls zeigt er großes Einverständnis!

Rudolf: Könnte man so auslegen!

Sybille: Muss man so auslegen!

Rudolf (ungeduldig): Nun lass ihn doch nicht verhungern!

Sybille: Keine Bange! (will ins Bett) Den leisten wir uns!

(Flurklingel)

Rudolf: Niemand zu Hause!

Sybille: Ich guck mal schnell!

Rudolf (überrascht): Was denn?

Sybille: Bin gleich wieder da! (eilt zur Wohnungstür, schaut durch den Spion, hat Mühe, weil niemand zu sehen ist)

Rudolf (zu seinem guten Stück unter der Decke): Da kannst du mal wieder sehen! Die Neugier ist stärker als alle Liebe!

Sybille (kommt zurück): Da ist niemand!

Rudolf: Na dann komm! Er ist gerade noch munter!

(Flurklingel)

Sybille: Das gibt’s doch nicht! (eilt zurück zur Wohnungstür)

Rudolf: Und ich wollte schon über Ehe nachdenken!

Sybille (kommt zurück): Das ist Harald, Tinas Ehe-Versuch!

Rudolf: Der hat mir gerade noch gefehlt!

Sybille: Er weiß, dass ich zu Hause bin!

Rudolf: Passt mir aber gar nicht!

Sybille: Wieso? Er kann dich doch ruhig sehen!

Rudolf: Kein Bedarf, dem Herrn zu begegnen! (springt aus dem Bett und zieht Jackett über)

Sybille: Na dann schnell auf den Balkon! (öffnet die Balkontür)

(Flurklingel)

Rudolf: Kommt nicht in Frage! Wenn ich da draußen stehe, braucht drüben Tina zufällig rauszukommen, und der Schlamassel ist perfekt!

Sybille: Also unter die Couch! (räumt hastig Geschirr und Besteck auf das Tablett)

Rudolf: Aber nur kurz! (kriecht unter die Couch)

Sybille: Ja, ja, mach ich schon!

Rudolf (mühsam): Mann, ganz schön eng! Ein Glück, dass ich so schlank bin! Beeil dich!

Sybille: Na logo! Pass auf, hier noch das Zeugs! (schiebt ihm das Tablett hinterher)

Rudolf: Ist ja feierlich!

Sybille (ab in den Flur, öffnet Wohnungstür) Hallo, Harald! Entschuldige, war noch bisschen…

Harald: Grüß dich! Darf ich?

Sybille: Aber immer! (kommt zurück) Hast du dich in Unkosten gestürzt?

Harald (kommt mit einer imposanten Pflanze): Habe dir für deine neue Wohnung bisschen Grünzeug mitgebracht! Frag mich nicht, wie das Gewächs heißt. Es braucht viel Sonne und viel Wasser, sagte die Verkäuferin.

Sybille: Ist es ja bei mir bestens aufgehoben!

Harald: Wohin damit?

Sybille: Ja, wohin? Keine Ahnung. Stell auf den Tisch, ich überleg mir.

Harald (stellt die Pflanze auf den Tisch): Und sonst? Alles klar?

Sybille: Ja, ja, läuft. Schön, dass ihr mir geholfen habt. Bin schon wieder zur Tagesordnung übergegangen.

Harald: Gutes Stichwort! Tina geht auf Dienstreise!

Sybille: Muss mal sehen!

Harald: Ist was?

Sybille: Du bist verheiratet, Mann! Und sie ist meine beste Freundin! Irgendwie ist das schon verquer!

Harald: Ja doch! Ich habe ja auch meine Probleme! (lässt sich schwer auf die Couch fallen)

Sybille (erschrocken): Du, das ist jetzt aber...

Harald: Ist was?

Sybille: Schon gut! Schon gut! Du hast Probleme…?

Harald: Ja! Stell dir vor, sie will mir den Single austreiben! Und ich schaff das nicht!

Sybille: Wie man sich bettet, so liebt man!

Harald: Und irgendwie will ich es auch gar nicht schaffen!

Sybille: Ja, mein Bester, ist guter Rat teuer!

Harald (breitet die Arme aus) Keine Lust?

Sybille: Jetzt?

Harald: Na ja!

Sybille: Weißt du...

Harald: So einen Kleinen zwischendurch!

Sybille: Also...

Harald: Nein?

Sybille: Nein!

Harald: Oh, das ist aber neu!

Sybille: Mann, wo ist das Problem?

Harald (zeigt auf sein gutes Stück): Hier!

Sybille: Schaffs nebenan, vielleicht ist Tina inzwischen zurück!

Harald: Also das ist wirklich neu!

Sybille: Vergiss es!

Harald: Wenigstens einen Kuss! (tritt zu ihr heran, zieht sie an sich)

Sybille (entzieht sich): Ich hatte eine anstrengende Nacht!

Harald: Ich glaube, ich lass mich scheiden!

Sybille: Nun dreh mal nicht durch! Ich lauf dir ja nicht weg! Vorläufig nicht, jedenfalls!

Harald: Was?

Sybille: Mann! Mach keinen Zirkus! Weil ich mal nicht poppen will, geht die Welt doch nicht unter!

Harald (setzt sich wieder): Sag mal, bei der Gelegenheit: Hast du eine Ahnung, ob dieser Bernhardi hinter Tina her ist?

Sybille: Wie soll ich das wissen?

Harald: Hätte ja sein können! Dass du irgendwie etwas mitbekommen hast.

Sybille: Ist schon krass komisch du, eben willst du mich haben und plötzlich interessiert dich, ob deine Frau fremd geht!

Harald: Was ist komisch daran?

Sybille: Denkst du, er besucht sie, wenn du nicht da bist?

Harald: Keine Ahnung! Sonst würde ich doch nicht fragen!

Sybille: Also das soll mir mal einer erklären. Du willst dich scheiden lassen, bist eifersüchtig auf den Herrn Bernhardi und mit mir willst du bumsen. So mal im Vorbeigehen! Was ist los mit dir?

Harald: Ich sehe auch nicht mehr durch! Bin auf achtzig irgendwie! Schreibt sie auch noch über jeden Mist in ihrer Kolumne!

Sybille: Das hatte ich dir doch gleich gesagt! Sie hat geheiratet, um Ehe-Erfahrungen zu machen. Und du bist das Versuchs-Kaninchen!

Harald: Hätte ich gewusst, dass du mich geheiratet hättest!

Sybille: Was hätte ich?

Harald: Na, neulich klang es doch fast so!

Sybille: Also Junge, jetzt schau mal, ob deine Ehehälfte eingetroffen ist, sonst drehst du mir hier noch ganz durch und fällst über mich her.

Harald: Soll ich? (will sie wieder an sich ziehen)

Sybille: Mann, jetzt ist es aber genug!

Harald: Stell dir vor, sie schreibt wirklich über jeden Furz, den ich lasse!

Sybille: Und das stört dich?

Harald: Na klar!

Sybille: Hätte dich für ein bisschen großzügiger gehalten. Einfach souverän darüber wegsehen, Mann!

Harald: Sollte mir scheißegal sein, wie?

Sybille: So ungefähr!

Harald: Wenn du das so sagst! Ehrlich, hast wirklich kein bisschen Lust?

Sybille: Du bist mir einfach zu zerstreut heute. Kriegst ihn bestimmt nicht hoch!

Harald: Das käme auf die Probe an!

Sybille: Schluss jetzt, Mann!

Harald: Alles klar! (zur Tür) Bis bald!

Sybille: Bis bald!

Harald: Ich liebe dich!

Sybille: Alles klar! (Harald ab, schließt die Wohnungstür hinter ihm)

Rudolf (giftig noch unter der Couch): Mann oh Mann, das ist ja ein aufdringlicher Kerl!

Sybille: He! Wie geht es dir? (tritt an die Couch heran)

Rudolf: Beschissen! (bemüht sich vergebens, hervorzukommen)

Sybille: Moment! Aahh! (zerrt den Teppich, auf dem Rudolf liegt, unter der Couch hervor) Ist nicht ganz gut liegen da unten! Oder?

Rudolf (sarkastisch): Einfach wunderbar! (setzt sich auf) Wo gibt’s überhaupt so’ne pompöse Couch, unter der man sich verstecken kann?

Sybille (triumphiert): Sonderanfertigung!

Rudolf: Was?

Sybille: War mal mit einem Möbel-Boss liiert. Der hat die extra für mich bauen lassen!

Rudolf: War wohl verheiratet, der Herr?

Sybille. Er wollte immer eine letzte Chance haben!

Rudolf: Hast du den auch so lange schmachten lassen müssen?

Sybille: Entschuldige, aber du hast ja selbst gehört.

Rudolf (rappelt sich hoch): Ziemlich konfus, der Junge!

Sybille: Tut mir leid, der kommt sonst nie so früh am Tage! (stellt die Pflanze in eine Ecke des Zimmers)

Rudolf: Und wie oft kommt er so?

Sybille (sofort reserviert): Du, das ist...

Rudolf (sofort): Entschuldige! Entschuldige!

Sybille: Okay!

Rudolf: Was machen wir nun?

Sybille: Jetzt machen wir Frühstück! Du verschnaufst da (zeigt auf die Couch), und ich koche Kaffee!

Rudolf: Darüber lässt sich reden! (setzt sich auf die Couch)

Sybille (ab in die Küche): Was nimmst du? Honig? Wurst? Ei?

Rudolf: Ei!

Sybille: Eins oder zwei?

Rudolf: Zwei! Und Butter bitte und ein bisschen Brot!

Sybille: Alles klar!

Rudolf: Ah, jetzt geht’s mir schon wieder!

Sybille: Ganz schöne Tortur, was?

Rudolf: Hätten wir uns erspart, wenn ich vorhin verduftet wäre!

Sybille (kommt aus der Küche zur Tür): Du, hör mal, du kannst noch immer verduften. Jederzeit! Kein Problem!

Rudolf: Unsinn! Ich schwätze ja nur so!

Sybille: Na fein! Und wie ist das mit Tina?

Rudolf: Mit Tina?

Sybille: Ja, du bist gerade so schön auf Wahrheitstrip!

Rudolf: Na weißt du!

Sybille. Bin ich zu neugierig?

Rudolf (tut sehr unschuldig): Seitdem sie verheiratet ist, spielt sich nichts mehr ab.

Sybille: Klingt nicht so ganz überzeugend, aber wollen wir mal nicht kleinlich sein. Dann rück mal schon den Tisch an die Couch! (ab)

Rudolf (rückt den Tisch vor die Couch): Wenn’s jetzt wieder klingeln sollte, bist du aber nicht zu Hause!

Sybille (bringt Frühstück auf dem Tablett): Sehr richtig! Jetzt lassen wir uns nicht stören! (deckt den Tisch) Jetzt wird gefrühstückt.

Rudolf: Machst dich eigentlich ganz gut als Hausfrau!

Sybille (überrascht): Hör mal, mein Bester, wenn ich jetzt nicht solchen Appetit hätte, würde ich dich rauswerfen! Aber mit hundert Sachen!

Rudolf (prononciert): Appetit? Habe ich eben richtig gehört? Du hast Appetit?

Sybille (lüstern): Appetit! Wenn Sie verstehen, was ich meine...!

Rudolf: Erst noch die Eier!

Sybille (geht prompt darauf ein): Erst noch die Eier!

Rudolf (schlägt ein Ei auf) Eine Brise Salz! (isst)

Sybille (schlägt ein Ei auf) Eine Brise Salz! (isst)

Rudolf (schwelgt): So liebe ich das Leben!

Sybille (schwelgt): So lässt sich leben!

Rudolf (schlägt ein Ei auf) Allen Schlamassel vergessen! (isst)

Sybille (springt auf): Das Leben pur! (posiert vor ihm)

Rudolf: Nackt und unrasiert! (zieht sein Hemd aus)

Sybille (zeigt beschwörend um sich herum) Wiese! Alles Wiese! Saftige, duftende Wiese! Vögel zwitschern! Die Sonne scheint!

Rudolf: Und es ist badewarm! (zieht die Hose aus)

Sybille: (zieht ihr Kleid aus) Und ich bin geil! (tanzt)

Rudolf: Genießen! Genießen! Genießen! (beißt noch schnell in ein Brötchen)

Sybille (lässt sich auf die Couch fallen): Bring ihn her! (hebt die Decke an)

Rudolf: Sofort! (huscht zu ihr unter die Decke)

Sybille: Oh!

Rudolf: Na ja, ein bisschen Mut musst du ihm schon machen!

Sybille: Einverstanden! (beugt sich über ihn) Hallo!

(Flurklingel)

Sybille (hält ein): Das gibt es doch nicht!

Rudolf: Bitte, sei nicht zu Hause!

Sybille: Bin nicht zu Hause!

(Flurklingel)

Rudolf: Wer kann das sein?

Sybille: Um die Zeit kommt kein Mensch!

Rudolf: Der Briefträger?

Sybille: Nicht einmal der Briefträger!

(Flurklingel)

Sybille (schaut): Ah, jetzt ist er hin!

Rudolf: Ist auch bloß ein Mensch!

Sybille (setzt sich auf): Pause!

Rudolf: Man müsste die Klingel abschalten können!

(stürmisches Klopfen an der Wohnungstür)

Sybille: Das hält kein Mensch aus! (springt aus dem Bett, eilt zur Wohnungstür, greift sich nebenbei Bademantel, schaut durch den Spion, zieht Bademantel über)

Rudolf: Na?

Sybille (kommt ein bisschen näher): Tina!

Rudolf: Ach du meine Güte!

Sybille: Halb nackt!

Rudolf: Was?

Sybille: Da ist was passiert! Die muss ich rein lassen!

Rudolf: Meinst du?

Sybille: Unbedingt!

Rudolf: Na dann los! Kenn mich ja schon aus da unten! (rafft Jackett und Hose, huscht wieder unter die Bettcouch)

Sybille (schiebt das Tablett hinterher): Entschuldige, aber das ist meine Freundin!

Rudolf: Ja, ja, schon gut!

Sybille (öffnet Wohnungstür): He, Kleine, wo brennt’s denn?

Tina (im Unterrock, Haar zerzaust): Dauert ja eine Ewigkeit! (stürmt herein) Muss mit dir reden! (setzt sich in Sessel) Jetzt!

Sybille: Siehst ja gefährlich aus!

Tina: Ich lass mich scheiden!

Sybille: Nicht doch!

Tina: Klarer Fall!

Sybille: Nicht doch!

Tina: Klarer Fall!

Sybille: Und was machst du mit der „Minna“?

Tina: Das ist die Scheiße!

Sybille: Siehst du!

Tina: Ich bin in einer Falle!

Sybille: Ich wusste es doch! Du hast nur geheiratet, weil du deinen Job nicht verlieren wolltest!

Tina: Die sind ganz scharf auf meine Artikel! Seitdem!

Sybille: Was willst du mehr!

Tina: Jetzt flippt Harald aus!

Sybille: Was ist passiert?

Tina: Er will sich scheiden lassen!

Sybille: Der auch?

Tina: Wer noch?

Sybille: Na du!

Tina: Ach, bin schon ganz meschugge! Stell dir vor, kommt der doch eben mit Latte vom Dienst und fällt über mich her!

Sybille: Na ist doch prima!

Tina: Ich wollte aber nicht!

Sybille: Wieso das denn?

Tina: Ich wollte nicht!

Sybille: Aber du bist verheiratet!

Tina (trotzig): Ich wollte nicht. Ich wollte nicht!

Sybille: Also hör mal! Wenn man verheiratet ist, lässt man den Ollen machen, seinen Saft abschlagen und Sense! Ist doch kein Grund, sich scheiden zu lassen!

Tina: Du hast gut reden!

Sybille: Ein Grund, weswegen ich nicht heirate. Kann ich mir die Männer auf Distanz halten.

Tina: Mein Grundsatz ist: Man muss gemeinsam wollen. Und wenn dem einen mal nicht danach ist, schließlich hat man in der Ehe nicht so viel Druck, dann lässt man es sein. Aber nein, er fällt über mich her!

Sybille (sich vergessend, hingebungsvoll): Ja, das kann er!

Tina (bestürzt): Was?

Sybille (schnell): Als Ehemann! Das kann er! Als Ehemann, verstehst du!

Tina: Das muss ich in der „Minna“ diskutieren!

Sybille: Wirst du ein breites Echo finden.

Tina: Aber er verbietet es mir! Sein Privatleben geht niemand was an, sagt er !

Sybille: Ach, das gibt sich! Du schreibst ja unter Pseudonym. Geh mal wieder rüber!

Tina: Jetzt will er schlafen!

Sybille: Legst dich zu ihm und nimmst dir einen!

Tina: Meinst du?

Sybille: Jetzt fällst du über ihn her!

Tina: Trau ich mich nicht!

Sybille: Schmiegst dich an ihn, bläst ihm einen Zapfen...

Tina: Was?

Sybille: ...und setzt dich drauf! Sollst mal sehen, wie ihm das gefällt. Dir übrigens auch. Dann seid ihr quitt!

Tina (trostlos): Kann ich nicht!

Sybille: Kannst du nicht?

Tina: Bla…!  Ist nicht mein Ding!

Sybille: Na hör mal! Wenn du die elementarsten Ehe-Rituale nicht beherrschst, musst du dich nicht wundern!

Tina: Komisch, dass das in einer Ehe so kompliziert wird!

Sybille: Du musst lernen, mit ihm umzugehen! Mit ihm und seinem Zipfel, das sind zwei ganz verschiedene Wesen!

Tina: Gar nicht so einfach!

Sybille. Das Leben ist eines der schwersten! Aber die Ehe, meine Liebe, kein Vergleich!

Tina (sarkastisch): Zapfen! Zipfel! Schwengel!

Sybille: Latte ist auch ganz gut!

Tina: Wenn’s darum geht! Fällt mir auch noch was ein. Na schön! Ich danke dir jedenfalls! Jetzt fühl ich mich schon besser! (schaut sich entspannt im Raum um) Wie geht’s dir so?

Sybille: Kann nicht klagen.

Tina: Schade eigentlich, irgendwie fehlst du mir!

Sybille: Ja, war eine schöne Zeit!

Tina: Oh, tolle Pflanze!

Sybille: Ich brauchte mal bisschen Grünzeug.

Tina: Habe schon mit Harald gesprochen. Von uns kriegst du auch noch was Grünes.

Sybille: Muss nicht sein!

Tina (erhebt sich): Und du denkst, ich soll auf Zipfel machen?

Sybille: Unbedingt!

Tina: Nicht mein Stil eigentlich!

Sybille: Du entdeckst ganz neue Züge an dir! Geheime Sehnsüchte und so!

Tina: Ich mag das Normale!

Sybille: Und was ist normal?

Tina: Na normal eben! Wenn beide wirklich Drang haben zueinander! Nicht wegen des Rituals, ach was weiß ich!

Sybille: Genießen muss man, verstehst du! Genießen! Hinten und vorn, oben und unten! Und der beste Ort dafür ist und bleibt das Bett! (lässt sich impulsiv mit Wucht auf die Couch fallen)

Rudolf: Au!

Sybille (erstarrt im Sitzen zur Salzsäule)

Tina (nimmt sprachlos eine Hand vor den Mund, starrt animiert zur Couch, flüstert) Hast du (zeigt) Besuch?

Sybille (schüttelt so langsam wie amüsiert den Kopf)

Tina (wieder locker): Ich geh ja schon! Alles Klar! Bin schon weg! (eilt entschlossen zur Wohnungstür) Ehe machen! Ha! (zur Tür hinaus)

Sybille (sitzt noch immer, demütig): Kannst du mir noch einmal verzeihen?

Rudolf: Keine Ahnung!

Sybille (sitzt noch immer): Soll ich auf Zipfel machen?

Rudolf: Keine Ahnung!

Sybille (lacht aus vollem Halse)

 

 

 

- Vorhang -