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Der wilde Mann

 

 

 

 

2. Aufzug

 

 

Früh am Morgen. Helga, im Morgenrock, ungepflegt, lauscht an der Schlafzimmertür. Irma, ihre Mutter, steht verstört daneben. Sie ist eine Frau von etwa 65 Jahren, zierlicher als die Tochter, von regem Geist und jugendlichem Temperament.

 

Irma: So was! Nach zwanzig Jahren Ehe!

Helga: Es wird immer schlimmer! schaut durchs Schlüsselloch, huscht plötzlich schnell zur Seite Hierher! sucht Deckung hinter den Gardinen der Verandatür

Irma folgt ihr flink: Seit wann hat er das?

Helga: Seit vierzehn Tagen! Ungefähr!

Irma: Merkwürdig!

Helga: Wenn das so weiter geht, lass ich mich scheiden! Ruhig!

Paul tritt selbstbewusst aus dem Schlafzimmer, im Sportdress, fröstelt, macht mühevoll drei Liegestütze, bricht beim vierten Male kläglich ein, versucht es mit Kniebeuge, hat auch da allerhand Mühe, gibt es auf: Genug! zieht einen Zettel aus der Hosentasche, liest, stellt sich aufrecht, liest noch einmal, bewegt die rechte Hand zeremoniell horizontal von der Brust an vorwärts, wiederholt die Übung zweimal, liest Ah, auch nicht übel! schließt die Hand langsam und öffnet sie, während er sie unterwärts bewegt Ganz einfach, die Schose! ab in die Küche

Irma entsetzt: Der ist plemplem!

Helga deutet Irma mit dem Zeigefinger vor den Lippen zu schweigen.

Irma: Da muss was geschehen!

Paul wirft aus dem Flur ein Messer durchs Zimmer nach der Verandatür, wo es stecken bleibt.

Irma schreit schrill: Aaah! kommt entsetzt hervor.

Paul überrascht: Schwiegermama!

Irma empört: Bist du verrückt?

Paul gemütlich: Grüß dich! ziert das Messer ungeniert aus der Tür.

Irma verfolgt den Vorgang skeptisch: Willst du jemand umbringen?

Paul nett: Aber Irmchen! sieht nun auch seine Frau Ah, du bist auch da?

Helga ironisch: Wie fühlst du dich?

Paul borstig: Wie’n Schmetterling in der Sonne! fröstelt

Helga: Wirst dich erkälten!

Paul: Keine Sorge, mir ist ganz warm!

Helga: Solltest lieber mal das Frühstück machen! Wär’ sinnvoller!

Paul: Spann doch Peter ein, den Faulpelz! Der liegt bestimmt noch in der Klappe.

Helga: Was du immer an dem Jungen herumnörgelst!

Paul: Der Herr macht Ferien, scheint mir.

Helga zu Irma: Vielleicht redest du mal mit Paul. lässt Paul betont brüsk stehen und geht in die Küche

Irma: Lass mich nur machen!

Paul freundlich: Setz dich, Mutter! zieht sich an

Irma: Ja, was treibst du so... mit dem Messer... am frühen Morgen?

Paul tut harmlos: Ich trainiere! Fürs Bäume Okulieren! Verschneiden, verstehst du. Manchmal stehen die Äste so weit ab, dass man sie aus der Ferne bearbeiten muss. Pass auf, so! macht Anstalten, das Messer erneut zu werfen

Irma: Steck das Messer weg!

Paul hält ein: Wie Du willst! steckt das Messer weg, setzt sich an den Tisch Irmchen, das trifft sich gut! Ich habe eine Bitte!

Irma: Wird was Rechtes sein. setzt sich vorsichtig

Paul sehr vertraulich: Vermach mir deinen Zopf!

Irma: Meinen...? kriegt den Mund nicht wieder zu, schaut Paul groß an

Paul: Den aus der Kommode, weißt du!

Irma weicht scheu etwas vor ihm zurück: Den Stolz meiner Jugendzeit?

Paul: Das alte Ding brauchst du ja doch nicht mehr.

Irma verstört: Bist du irgendwie... ich meine... hast du hier oben irgendwie... also nein!

Paul: Das ist so... wir... mein Betrieb, meine Bäckerei, weißt du, wir brauchen auf einmal Haar, massenhaft Haar! Langes richtiges Haar! Für ein Experiment! Verstehst du?

Irma: Verstehe! Nee, eigentlich nicht!

Paul: Dein Haar ist einfach ideal! So schön kräftig!

Irma verwirrt: Werde mir’s überlegen. hält Ausschau nach Helga

Paul: Das ist nett. Du würdest mir wirklich eine große Freude machen.

Irma skeptisch: Ein Haar in der Suppe kann ich mir ja vorstellen, aber meinen Zopf in eurem Kuchenteig?

Paul nervös: Top Secret!

Irma: Zöpfe für’s Kuchenbacken, wirklich?

Paul: Nicht doch! Kuchen! Für die Brötchen!

Irma: Für die Brötchen?

Paul: Kannst du schweigen?

Irma: Was denkst du von mir?

Paul: Also pass auf! tut vertraulich, improvisiert Unsere Kunden... unsere Kunden ärgern sich immer wieder, dass die Brötchen... also die Brötchen, nicht wahr... die Brötchen, weißt du... so verschieden gebacken sind! Klar? Mal noch fast weiß, mal fast verbrannt!

Irma: Oder paar Tage alt!

Paul: Oder paar Tage alt! Eh! Die Brötchen, diese Racker! Jedenfalls haben paar fleißige Mitarbeiter eine Automatik ausgeknobelt, weißt du, damit jedes Brötchen wunderbar gleichmäßig gebacken werden kann. Klar? Und dazu brauchen wir die Haare. Die regeln nämlich! Sogenannte Regler sind das. Die reißen bei einer bestimmten Temperatur, bei der sogenannten Brötchen-Temperatur! Und dadurch ist gesichert... Klar? wischt sich den Schweiß

Irma jetzt gläubig: Ist ja eine großartige Erfindung!

Paul aufatmend, schaut auf die Uhr: Sag ich doch! Und so verrückt: Nur Haar ist geeignet! Kein Metall, keine Plastik! Nur reines schwarzes Haar!

Irma verblüfft: Schwarzes?

Paul: Ich versteh’s ja auch nicht. Die vom Labor behaupten, schwarz muss es sein!

Irma nachdenklich: Diese Technik heutzutage! Ich denk, du machst jetzt alles mit Computer?

Paul. Versagen! Computer versagen glatt! Du glaubst es nicht!

Irma: Und wie viel lasst ihr springen?

Paul: Schwer zu sagen. Das Haar muss erst geprüft werden, weißt du. Wenn es brüchig ist, hat es kaum Wert.

Irma: Brüchig? Mein Haar?

Helga bringt das Frühstück. Na?

Irma vertraulich: Leichter Dachschaden, sonnenklar! sieht den Kuchen. Oh, schon mit Geheimnis gebacken?

Helga: Was habt ihr denn?

Paul. Ein Geheimnis! ablenkend Frühstück! klopft heftig an der Treppe.

Irma nimmt Platz, vorwurfsvoll zu Paul: Also dass du meinen Geburtstag vergessen hast!

Paul: Hast du nicht im August?

Irma: Das weißt du also noch!

Paul: Wieso?

Irma zu Helga: So schlimm kann es nicht sein.

Paul: Was habt ihr denn?

Helga setzt sich: Auch ein Geheimnis. Bitte, bedient euch.

Peter kommt die Treppe herab: Salut Omama! Guten Morgen, Familie! nimmt Platz.

Irma: Guten Tag, mein Junge!

Paul mürrisch zu Helga: Schenk ein!

Peter freundlich zu Irma: Na, Oma! Was Neues?

Paul prompt: Ja! Die Familie schaut verblüfft auf Paul Ich werde mich in Zukunft nicht mehr so um den Garten kümmern können! Die Familie hält ein zu kauen. Was gibt’s da zu gucken? Fünfzehn Jahre habe ich meine Seele in den Garten verbuddelt. Das reicht! Ich brauch Abwechslung!

Irma: Findest du die nicht in deinem Betrieb?

Paul: Mehl satt!

Helga mit Blick zu Irma: Was willst du denn tun?

Paul: Das erfahrt ihr noch früh genug!

Helga: Hör dir das an!

Paul unverdrossen zu Helga: Du übernimmst am besten die Erdbeeren. zu Peter Und du kümmerst dich um den Rasen!

Peter aufsässig: Bin doch kein Gartenzwerg!

Paul: Die Hecken könnt ihr euch aufteilen.

Irma spitz: Und das Okulieren, Paul? Wer macht das?

Paul: So viel Zeit findet sich. steht auf Ja, und was ich noch sagen wollte. Ich bekomme Besuch. Wenn er kommt, bin in den Erdbeeren! ab

Irma sarkastisch: Sehr gemütlich geworden, eure Ehe.

Helga beistimmend: Nicht!

Peter scheinheilig: Irgendetwas ist im Gange. futtert betont

Irma: Sieht wirklich aus wie ein leichter Dachschaden.

Helga: Hm, seitdem ihm im Center die Konkurrenz im Nacken sitzt, hat er die Übersicht verloren.

Irma: Aber er hat sich doch nie was aus der Konkurrenz gemacht!

Helga: Ich versteh’s ja auch nicht.

Irma: Was kann er haben?

Peter kauend, betont beiläufig: Vielleicht eine Geliebte! Helga und Irma schauen Peter betroffen an Mal was Neues! isst gemütlich weiter

Irma: Wie kommst du denn darauf?

Peter hebt desinteressiert die Schultern: Ist doch modern! Oder?

Helga fassungslos: Das  -  nein! plötzlich mit gehobener Stimme, scharf Paul!!

Irma heftig: Bist du still! Denkst du, ein Mann gibt so was zu? Da musst du Beweise haben! Beweise!

Paul ruft aus dem Garten: Ist was?

Irma: Hat sich erledigt.

Helga. Nichts hat sich erledigt!

Irma: Erst müssen wir einmal wissen, wie Peter auf so etwas kommt! Heraus damit, mein Lieber! Was weißt du?

Peter gemütlich kauend: Nichts!

Helga: Und dann sagst du so etwas?

Irma: Irgendetwas muss doch sein, Junge!

Helga betroffen: Natürlich! Neuerdings verschließt er seinen Schrank!

Irma: Das Geheimnis! Aber gewiss! Jetzt begreif ich. Er hat ein Verhältnis. Stell dir vor, er will meinen Zopf!

Helga: Deinen Zopf?

Irma: Aus der Kommode! Für so eine kurzhaarige Gazelle, die den Ehefrauen die Männer ausspannt!

Helga ringt nach Luft: Das wird ja immer verrückter!

Irma: Die jungen Dinger tragen jetzt wahrscheinlich Haarteil. Hat er ihr versprochen. Sonnenklar. Und Sport treibt er, damit er im Bett... Peter, geh mal in die Erdbeeren!

Peter sieht in dem Moment die herantretende Ursel, verharrt.

Ursel in leichtem Pulli, Shorts, Täschchen mit Riemen leger über der Schulter, erscheint arglos in der Flurtür: Guten Tag! Entschuldigung, die Haustür stand offen.

Helga bebend: Sie wünschen?

Ursel: Ich möchte Herrn Penneberg sprechen!

Vielsagender Blick zwischen Helga und Irma

Helga scharf: Bitte?

Ursel zögernd: Ich möchte etwas abgeben.

Helga schroff: Geben Sie her!

Ursel verlegen: Ich soll das aber Herrn Penneberg persönlich überbringen!

Helga: Ich bin seine Frau.

Ursel: Ja, ich weiß nicht.

Helga: Was soll das heißen?

Ursel blickt hilfesuchend zu Peter: Es ist wirklich nur für Herrn Penneberg bestimmt.

Irma streng: Mein Kind, geht das auch mit rechten Dingen zu?

Ursel unschuldig: Natürlich!

Helga giftig: Geben Sie her!

Ursel verwundert: Ist Herr Penneberg nicht zu sprechen?

Helga: Woher kennen Sie meinen Mann?

Ursel wendet sich zum Gehen: Ich komme gern noch einmal wieder.

Peter ruft in den Garten: Vati! Besuch!

Paul aus dem Garten rufend: Komme sofort!

Ursel nickt freundlich zu Peter, erleichtert: Dankeschön! zu den Frauen Entschuldigung!

Helga wütend: Da bin ich ja wohl überflüssig!

Peter: Wenn ich das wüsste!

Ursel: Aber nein!

Helga: Mutter, komm! geht brüsk die Treppe hoch

Irma: Ich? zögert zu gehen

Helga: Komm schon! ab

Irma sarkastisch: Hat er aber Glück, dass er nicht mit mir verheiratet ist! ab

Peter borstig: Du hast Einfälle!

Ursel kurz angebunden: Ich? Hier! zeigt einen Brief Dein Vater! Schreibt ans Museum!

Peter: Na und?

Ursel: Kann ich dafür, dass ich da beschäftigt bin? Ich spiele mit!

Peter: Was?

Ursel: Ich bin die „Strahlende Sonne“!

Peter: Bist du zu retten?

Ursel: Mal sehen, ob dein Vater auch so ein mieser Kerl ist wie du!

Peter bissig: Ohne mich!

Paul kommt heran, die Hände abtrocknend, überrascht: Oh! Guten Tag! Zu mir?

Peter: Die Dame kommt von den Indianern! ab durch die Verandatür

Paul verwirrt: Aaah, jaaa?

Ursel scharmant: Guten Tag, Herr Penneberg! Ursel mein Name!

Paul: Ja, Ursel, mein Fräulein, nett, dass Sie da sind. Eigentlich wollte ich ja mit diesem Onkel sprechen – eh – ich meine, mit diesem Herrn Indianer!

Ursel verlegen, aber scharmant: Häuptling „Großer Bär“ ist leider verhindert!

Paul verblüfft: Häuptling...?

Ursel: Er lässt Sie grüßen und schickt mich, die „Strahlende Sonne“.

Paul: Oh, aha, die „Strahlende Sonne“, schön! Na dann willkommen! Bitte, nehmen Sie Platz! prüft möglichst unauffällig, ob Helga und Irma lauschen

Ursel: Dankeschön! gibt ihm ein Päckchen Hier, für Sie! Mokassins! setzt sich

Paul: Donnerwetter!

Ursel: Und „Prärie-Indianer“, ein interessanter Artikel über völkerkundliche Indianergruppen in Magdeburg und Radebeul.

Paul: Auch nicht schlecht! wickelt aus, bewundert die Mokassins Eine Wucht! wickelt wieder ein Und? Wann kann ich den Onkel, ...eh, den Häuptling, sprechen?

Ursel zunehmend selbstsicher: Erst müssen Sie mal Probeindianer werden!

Paul: Wie das denn?

Ursel: Das ist das ungeschriebene Gesetz unserer Gruppe!

Paul: Moment mal! Ihr seid schon so’n Trupp wilder Männer?

Ursel betont pikiert: Schwarzfuß-Indianer!

Paul: Schwarzfüße, klar! Ich bring euch ganz groß heraus!

Ursel: Ich glaub, das mag der Häuptling gar nicht.

Paul: Ich leg ihm einen renommierten Großbetrieb zu Füßen, und er will nicht?

Ursel: Er liebt keinen Rummel.

Paul unzufrieden: Was heißt hier Rummel? Ich will ein PR-Modell, ein Beispiel! Begreifen Sie?

Ursel sachlich: Sehen Sie, jeder Neuling muss sein ernsthaftes Interesse erst einmal nachweisen! sehr scharmant Können Sie zum Beispiel schminken?

Paul: Schminken? Ach, die Bemalung? Kein Problem!

Ursel: Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter. Unsere völkerkundliche Kulturgruppe betreibt das Indianerspiel wissenschaftlich! schaut ihn herausfordernd an Da kommt es auf jedes Detail an!

Paul unter ihrem Blick verlegen: Seid ihr da nicht ein bisschen pingelig? Worauf kommt’s denn an bei den Indianern? Auf spielt mit den Muskeln Kraft, Gewandtheit, zieht flugs das Messer und Geschicklichkeit!

Ursel: Oh, Sie sollten sich „Schnelles Messer“ nennen!

Paul in zunehmend guter Laune, strahlt: Ja?

Ursel gewichtig: Also die Vorbereitungen müssen Sie wirklich ernst nehmen!

Paul steckt das Messer weg: Keine Sorge!

Ursel: Haben Sie schon ein Lendentuch?

Paul: Ein was? Ach richtig! Verstehe! So hier? zeigt

Ursel immer kecker: Der Probeindianer braucht eine komplette indianische Kleidung, möglichst originalgetreu. Außerdem muss er ein Minimum an indianischer Kultur kennen.

Paul unbeirrt: Also Mokassins habe ich, einen Skalp kriege ich! Mit dem Lendentuch, da hapert’s!

Ursel sehr nett, fast flirtend: Ohne geht’s nicht!

Paul jetzt auch leicht flirtend: Könnten Sie setzt sich zu ihr nicht vielleicht, sagen wir, eins nähen für mich?

Ursel: Eigentlich muss der Probeindianer alles allein machen! Wegen der Probe, und der Ehrlichkeit, verstehen Sie?

Paul: Papperlapapp, Ehrlichkeit! Passen Sie mal auf! steht auf, stellt sich breitbeinig hin, fasst sich unter den Schritt Versteh ich das richtig, dann kommt das hier...

Helga kommt die Treppe herunter, bebend: Paul!

Paul bissig: Bin beschäftigt!

Helga: Paul!

Paul ungehalten: Du siehst doch, ich habe eine Besprechung!

Helga: Willst du mir die junge Dame nicht wenigstens vorstellen?

Paul: Später!

Helga: Verzichte! ab

Paul aufgeräumt: Also, wie sieht so ein Tuch aus?

Ursel etwas aus dem Gleichgewicht geraten, wieder bemüht sachlich: Man nimmt Stoff, ungefähr 30cm breit, etwa zwei Meter lang, und umnäht ihn mit weißer Borte. Das ist alles. Getragen wird das Tuch mit einer schönen Kordel um die Hüfte. zeigt, etwas kokett Sehen Sie, so! Zwischen den Beinen wird es hindurchgezogen, vorn hängt es bis zu den Knien, hinten fast bis zu den Fersen.

Paul: Verstehe, verstehe! Kein Problem, nähe ich selbst, fühlen Sie sich nicht belästigt.

Ursel: Haben Sie keine Tochter, die Ihnen helfen könnte?

Paul: Schon aus dem Haus, die Hübsche!

Ursel: Und der  Sohn? schaut sich betont um

Paul: Um Gottes willen! Der und nähen! Also, junge Frau, war mir ein Vergnügen! Ich danke Ihnen. Sagen Sie Ihrem Häuptling, der Penneberg, dieser verrückte Boss von Penneberg-Brot, nicht wahr, wird Probeindianer. Und richten Sie ihm noch aus, dem Penneberg dauert das alles viel zu lange! Kann man die Probe-Prozedur nicht abkürzen?

Ursel schaut inzwischen neugierig in den Garten: Ich glaub, da gäbe es eine Möglichkeit.

Paul: Und die wäre?

Ursel: Ihr Garten!

Paul tritt nahe neben sie: Mein Garten?

Ursel: Einfach ideal für unsere Tipis! Sehen Sie, da hinten an den Kiefern. Malerisch! Natürlich müsste alles bisschen verwildert sein. Beschnittene Hecken gibt es nicht in der Prärie.

Paul, der schon fast um ihre Hüfte gefasst hatte, kratzt sich nun lieber am Kopf: Sagen Sie mal!

Ursel: Der Häuptling würde sich bestimmt sehr freuen! Vielleicht ginge dann alles viel schneller. Mit Ihrer Aufnahme, wissen Sie. Würden die anderen nicht murren, wenn bei einem Boss eine Ausnahme gemacht wird.

Paul: Meinen Sie? Mein Garten, hm!

Ursel: Sie können es sich ja überlegen! Und wenn Sie mit Ihren Vorbereitungen fertig sind: Anruf genügt! Nummer ist in den Mokassins!

Paul überrascht: Aha!

Ursel: Grüßen Sie bitte Ihre Frau! will durch die Verandatür in den Garten ab

Paul: Hier lang bitte! zeigt zum Flur

Ursel: Ah so! sucht noch einen Blick von Peter zu erhaschen Auf Wiedersehen, Herr Penneberg ab

Paul: Auf Wiedersehen! geleitet sie in den Flur.

Peter huscht zur Verandatür herein, schaut in den Flur hinterher, rasend eifersüchtig: Dieser Lustmolch dieser! verschwindet schnell wieder zur Verandatür hinaus

Paul kommt zurück: Peter! Peter!

Peter arglos tuend herein: Was liegt an?

Paul stutzt überrascht, weil sein Sohn so schnell zur Stelle ist: Hast du gelauscht?

Peter: Aber immer!

Paul: Du, untersteh dich! Sag mal: Wer ist dieser Häuptling?

Peter: Wer?

Paul: Spiel nicht Theater! Dieser Onkel von den Indianern, Mann!

Peter: Ach der! Keine Ahnung!

Paul selbstsicher: Den setz ich ab!

Peter: Aber du kannst doch... Das geht nicht!

Paul: Denen mach ich einen Probeindianer, dass die Wände wackeln! Im Nu bin ich Häuptling! Oder Medizinmann!

Peter wird Angst und bange: Typisch Papa, immer den Ton angeben.

Paul: Junge, wie ist denn die Lage? Ich brauche den Erfolg! Allseitig und sichtbar. Verstehst du? Das Penneberg-Brot muss das Land erobern. Sind doch die Indianer das gefundene Fressen! Nicht Kaiser-Brötchenen, sondern Rothaut-Schrippen, nicht Fladenbrot, sondern Schwarzfuß-Back! Da steigt die Presse ein. Sonnenklar. Die brauchen doch immer so bisschen was Ausgefallenes, die sind doch richtig geil darauf. Und den Häuptling setz ich ab!

Peter: Aber wozu denn?

Paul: Kein PR-Talent, dieser Mensch! Da bittet ein stadtbekannter Geschäftsmann um eine Unterredung, und er schickt so eine  -  Zicke!

Peter empört: Was? War die nicht nett?

Paul: So’n kurz geschorenes Gestell? Ganz verkümmert, die Kleine! Wo sonst das Weib anfängt... Merk dir, mein Junge, wenn du mit so einer mal ins Bett gehst, kriegst du blaue Flecke!

Peter empört: Papa!

Paul nachdenklich: Aber sie hat was! Ja, irgendetwas hat sie. Wie sie das so sagt: Ihr Garten wäre eine ideale Prärie für uns. Dabei schaut sie einen an, als müsste man gleich einen Indianertanz aufführen! zückt sein Messer Prärie!! säbelt an den Blumen herum, die in der Vase stehen Junge, ich hab’s! Wir organisieren ein Volksfest! Hier im Garten! Im Penneberg-Garten! Und die Indianer werden die Zugnummer! stößt verzückt einen wilden Indianerruf aus Wawawawa!

Im nämlichen Moment kommen Helga und Irma die Treppe herunter, Peter verzieht sich

Irma: Plärrst du deine liederlichen Leidenschaften immer so wild in die Gegend?

Paul: Was ist los? sichert das Päckchen

Helga: Bist du überhaupt noch zurechnungsfähig?

Paul will sich verdrücken: Jederzeit, mein Schatz.

Helga: Beiß dir mal nicht in die Zunge!

Irma: Was treibst du mit dem jungen Ding, das du deiner Frau nicht einmal vorstellen kannst?

Paul: Es wird ja wohl gestattet sein, ein paar Worte zu wechseln.

Helga: Tj, ein paar Worte!

Irma: Und mit wem, wenn ich fragen darf?

Paul: Mit wem? schließt das Päckchen im Schrank ein Ist das so wichtig? Mit... der...  Die junge Dame schickt ein Freund! Ja, ein wahrer Freund. Sie brachte mir ein Paar Sportschuhe und lässt euch grüßen! ab ins Schlafzimmer

Helga: Das ist der Gipfel!

Irma: Bewiesen ist nichts!

Helga: Schamlos! Diese Zeiten! Verkommen, verkommen!

Irma setzt sich: So eine gute Ehe habt ihr geführt!

Helga: Ach!

Irma neugierig: Etwa nicht?

Helga: Seit die Kinder erwachsen sind, ist alles anders. Bloß noch schuften, schuften, schuften!

Irma: Klag nicht, du hast deine Arbeit!

Helga: Erst diese Aufregung im Center! Ihm vor der Nase bäckt „real“ Brot und Brötchen! In der Hausbäckerei! Sogar Kuchen! Stell dir vor! Ich denk, er kriegt einen Herzinfarkt. Jetzt lacht er sich was Junges an. Diese Männer! Nicht totzukriegen!

Irma: Also wenn es stimmt, musst du ausziehen! So eine bist du nicht, die froh ist, wenn sie noch geduldet wird!

Helga: Jahrzehntelang hat man ihn gefüttert!

Irma kategorisch: Du ziehst aus, bis er zur Vernunft kommt!

Helga: Einfach Platz machen? Für eine andere?

Irma: Hast ja recht. So gewiss ist das ja gar nicht! Die kleine Ziege sah mir nicht aus wie eine, die es unbedingt auf alte Böcke abgesehen hat.

Paul kommt zurück, hat ein Stück Tuch in der Hand, Schere, Nadel, Faden und Borte, stutzt, als er die Frauen sieht, lässt sich aber nicht ablenken: Lasst euch nicht stören!

Helga: Was machst du denn mit meiner Gardine?

Paul: Deine Gardine ist das? Entschuldige! setzt sich nieder Ich kauf dir eine neue! schneidet munter drauflos

Helga: Krieg ich endlich eine neue Gardine!

Irma: Oder du gehst in die Klapsmühle!

Helga: Ich? zeigt Der!!

Helga und Irma, völlig verstört, weichen ihm scheu aus

 

- Vorhang -

 

 

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