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Lustspiel von Gerhard A. Ebert
4. Aufzug
Paul hat sich umgezogen, sitzt jetzt
zusammengesunken auf einem Stuhl an der Schlafzimmertür, Ursel hockt lauernd
auf einem Stuhl in der anderen Ecke
Ursel: Darf ich vielleicht noch etwas
sagen?
Paul reagiert knurrend und ablehnend
Ursel: Wahrscheinlich wird das doch nichts
mit den Indianern!
Paul will etwas entgegnen, lässt es aber
sein, da der Schlüssel in der Schlafzimmertür gedreht wird, schaut gespannt
Helga tritt aus dem Schlafzimmer,
bepackt mit zwei prall gefüllten Koffern, elegant gekleidet
Paul ergeben: Schnuckimaus!
Helga abweisend: Ich muss dich
sprechen!
Paul: Na end... eh, richtig!
Helga: Unter vier Augen! gebieterisch
zu Ursel Da ist die Tür!
Ursel: Frau Penneberg,
darf ich nicht doch eine Erklärung... ich wäre ja nie, wenn...
Helga bestimmt: Da ist die Tür!
Paul: Ja dann...! Entschuldigen Sie...!
Ursel erleichtert: Auf
Wiedersehen! huscht hinaus
Paul flötet: Lass dir erklären...!
Helga unterbricht ihn energisch:
Jetzt sprech’ ich!
Paul verblüfft: Mädel!
Helga. Setz dich! postiert sich hinter
ihren Koffern
Paul kleinlaut: Wenn du meinst setzt sich
Helga kämpft mir ihrer Erregung, hält sich
an ihrem Regenschirm fest, den sie zuweilen wie einen Knüppel schwingt: Ich gehe!
Paul springt hoch: Nein!!
Helga bestimmt: Setz dich! Paul
setzt sich ergeben Zweiundzwanzig, Paul, zweiundzwanzig Jahre habe ich
geduldig ausgehalten! Jetzt reicht’s! Schweig!
Paul: Du übertreibst!
Helga: Zweiundzwanzig Jahre habe ich
geschwiegen! Wegen der Kinder! Weil sie ihr Elternhaus in guter Erinnerung
behalten sollten. Die Kinder sind raus, jetzt ist Schluss!
Paul fassungslos: Mädel!
Helga: Gut, ich bin dir nachgelaufen, dir
unersättlichem... schwingt den Schirm ...Bock! So verliebt war
ich, dass ich dich geheiratet habe! Dass ich, ach...! Geduldig mitgemacht habe
ich, was du wolltest! Den Schrank dorthin, die Wand da raus! Den Baum da weg,
die Tomaten dorthin. Die Filiale da eröffnet, die Filiale da geschlossen. Ich
habe nicht einmal gemerkt, dass ich völlig überflüssig war.
Paul: Na also!
Helga: Und was ist dabei herausgekommen?
Jetzt red ich! Bist du vielleicht einmal ausgegangen
mit mir?
Paul fassungslos: Aber...!
Helga: Immer war die Firma wichtiger, die Penneberg-Brötchen! Die Penneberg-Frau,
die war dir schnuppe!
Paul: Hast du denn nicht wunderbare
Nachmittage mit deinen Kränzel-Freundinnen
veranstaltet?
Helga: So lange herumgestänkert
hast du, bis keine mehr gekommen ist!
Paul: Haben wir nicht wunderschöne Reisen
gemacht in unserer wenigen Freizeit?
Helga: Freizeit? Höre ich richtig?
Freizeit? Wenn du plötzlich das Wort Freizeit kennst, mein Lieber, eh, Paul,
Paul, dann, lass dir sagen, bin erst einmal ich an der Reihe. Ich, und nochmals
ich! Dann lange, lange gar nichts, und erst dann, erst dann vielleicht der
Garten! Aber keine Indianer!
Paul: Ich entwickle eine völlig neue
Methode der Werbung! Warum willst du das nicht verstehen?
Helga: Zum Clown entwickelst du dich!
Sagenhaft!
Paul: Die Sache ist vollkommen seriös!
Helga reißt die Geduld: Klare Verhältnisse: Ich oder die
Indianer!
Paul: Das kannst du nicht machen!
Helga: Ich oder dieser Firlefanz!
Paul: Ich soll meine tolle Idee sausen
lassen?
Helga: Und dein Verhältnis!
Paul: Aber die Kleine ist völlig harmlos!
Kommt vom Museum!
Helga: Ja, ja, eine Mumie! Ich hab’s
gesehen.
Paul: Ich wollte dem „Großen Bären“ meine
Indianerkluft zeigen, da steht plötzlich die „Strahlende Sonne“ im Zimmer. Kann
ich dafür?
Helga unerbittlich: Entscheide dich!
Paul aufgebracht: Aber du kannst doch zwanzig Jahre
Ehe nicht einfach - schwupp
- in die ewigen Jagdgründe
befördern!
Helga: Oh doch! greift ihre Koffer
Ich kann!
Paul: Warte doch! Natürlich! Ich geb’s ja zu, mein Einfall ist ungewöhnlich! vorwurfsvoll
Bin ich vielleicht schuld, dass uns die Konkurrenz im Nacken sitzt und ich mir
was einfallen lassen muss?
Helga höhnisch: Einfall!
Paul: Meine Nase für die Zukunft ist
bekannt! Das kannst du nicht leugnen. Ich habe als erster in der
Verkaufspackung gebacken, als erster Kuchen in Folie verkauft. Da soll mal
einer kommen! Sogar im Internet verkauf ich Brot und Brötchen! Aber das läuft
nicht. Kann ich dafür? Jetzt hat plötzlich die Gewerkschaft einen Rappel. Keine
Kultur im Betrieb! Verstehst du das? Ich nicht! Irgendetwas steckt dahinter.
Was bleibt mir übrig? Ich muss erst mal mitziehen, bis die sich beruhigen. Also
schaff ich kurzfristig eine völkerkundliche Kulturgruppe zur Pflege des
Brauchtums der Prärieindianer auf wissenschaftlicher Grundlage.
Helga niederschmetternd: Mumpitz!
Paul tief getroffen: Mumpitz? Mumpitz sagst du? Ich
entwickle beste Beziehungen zum Museum für Völkerkunde. Und das sage ich dir,
meine Leute gehen da hin! Alle Mann!
Helga: Hast du schon mit ihnen gesprochen?
Paul: Das wird angewiesen!
Helga: Schöne Kultur!
Paul eifrig: Stell dir die Indianer doch mal vor!
Historisch gesehen. Kulturvölker, erste Sahne! Azteken! Inkas! Mayas! Dakota!
Sioux! Prärieindianer. Prärie, verstehst du? Landschaft, Landschaft! Viel
Gegend jedenfalls ! Da gab’s die Schwarzfüße, die Krähen und die
Sieben-Ratsfeuer! Große Häuptlinge haben die Indianer hervorgebracht. Tecumseh
zum Beispiel oder Sitting Bull! plötzlich trocken
Am besten, du machst mit!
Helga: Bin ja noch zu retten! greift
ihre Koffer und geht zur Tür Lebwohl!
Paul: Warte!
Helga: In der Kammer liegt die schmutzige
Wäsche. Viel Vergnügen! will ab
Paul eindringlich: Warte doch! Helga
verharrt unmutig Also... wenn du verlangst, wenn du es so verlangst, nicht
wahr... dann, dir zuliebe, bitte, verzichte ich!
Helga sehr erstaunt: Mir zuliebe? Sag das noch mal!
Paul: Schweren Herzens, aber ich
verzichte, betont dir zuliebe! packt die Utensilien zusammen,
heroisch Das „Schnelle Messer“ kehrt zurück in die Küche!
Helga fassungslos: In die Küche? Du??
Paul wehleidig: In deine Hände lege ich unsere
Zukunft! will ihr die Utensilien reichen, die sie ablehnt Soll
backen wer will!
Helga: Ticken sie noch alle bei dir?
Heinrich Neumann kommt zur Verandatür herein, ein Original vom Scheitel bis zur
Sohle, zirka 55 Jahre alt, groß und kräftig von Statur, witzige Äuglein, kecke Nase, von ursprünglichem Schalk, offenkundig
überhaupt nicht unterzukriegen, in originalgetreuer Häuptlingstracht
der Siksika, farbig geschminkt, mit prächtiger großer
Federhaube, in der linken Hand die Stammeslanze mit weißem Wolfsfell als
Zeichen friedlicher Gesinnung, hebt seinen rechten Arm zeremoniell gen Himmel
und legt ihn dann an die Brust: How kola!
Helga weicht zurück, hilflos: Paul!
Paul sofort fasziniert: Eine
Schau!!
Helga: Polizei!
Neumann seelenruhig: Meine bleichgesichtige Schwester
ist aufgeregt? Keine Ursache! lässt sich bombastisch zum Indianersitz nieder
und verharrt reglos
Helga: Sind Sie denn total verrückt? Paul,
wirf ihn raus!
Paul schwelgt: Das wird der Knüller!
Neumann nestelt an seinem Gürtel, löst eine
große Pfeife, bedächtig:
Ich bin Häuptling „Großer Bär“! Mein Volk, die Siksika,
stolze Männer und Squaws, sind friedfertige Schwarzfüße! steckt die Pfeife
an Unsere Kleidung ist originalgetreu vom Scheitel bis zur Sohle. Viel
Arbeit steckt darin. Jetzt rauche ich die Friedenspfeife mit unserem neuen
Stammesbruder, den wir „Schnelles Messer“ nennen werden. Und Sie, die Hüterin
seines Zeltfeuers, fühlen sich bitte mit angesprochen.
Helga: Paul, unterbinde das!
Paul hingerissen: Das Center steht Kopf!
Helga: Ich geh!
Paul schwelgt: Das wird die Attraktion! sinkt
langsam hinunter in den Indianersitz Ich bin gerettet!
Helga: Irre! packt ihre Koffer Alle
irre!! ab
Neumann: Verzeihung!
Paul streckt dem Adlerauge hingerissen
die Hand hin: „Großer
Bär“, ich grüße Sie!
Neumann: Mir ist ganz mulmig!
Paul: Wegen meiner Frau?
Neumann: Dass sie Ihnen wegläuft, wollt ich
nicht!
Paul winkt ab: Kommt zurück!
Neumann: Ach, macht sie das öfter?
Paul: Eigentlich nicht!
Neumann erschüttert: Dann ist es ernst! Eijeijeijeijeijeijei...! rafft seine Sachen und
huscht wie ein Spuk flink ab
Paul verblüfft: He! Hallo! Bleiben Sie doch! eilt hinterher
Hallo, was soll denn das? kommt fassungslos zurück Ist
das zu fassen? Rennt einfach davon, der Häuptling! Feige Ratte! ruft
hinterher Feige Ratte! entschlossen Den setz
ich ab!
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Vorhang -