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Die Frösche

 

 

 

 

 

 

Vierte Szene

 

 

Aiakos, Xanthias, der Chor

 

Aiakos:

Sag, was du willst, ein wahrhaft großer Mann

Ist doch dein Herr!

 

Xanthias:

Ein großer? Ja, im groß

Versprechen und es brechen ist er Meister.

 

Aiakos:

Wie alle Herrn, das wundert nicht. Allein,

Er hat dich nicht gepeitscht, als du frech logst,

Der Sklav sei er, und du der Herr!

 

Xanthias:

Das Geld hab ich, das weiß er gut.

 

Aiakos:

Das Geld? Als Sklav’?

Wie machst du das?

 

Xanthias:

Wenn zwei politisch streiten, Händel haben,

Zwei Herren, du verstehst, vielleicht

Parteien, such als Schreiber ich geschickt

Die Mitte in dem Streit, schlag hierhin, auch

Nach dort, schon bin ich glänzend im Geschäft,

Denn keiner möcht's mit mir verderben! Wünscht

Ein jeder doch den Freund im Richter auf

Dem Berge.

 

Aiakos:

Hier im Hades geht das nicht!

 

Xanthias:

Schau her, mein Werk, viel Hiebe sind's nach links,

Auch rechts. Ein Dichter urteilt objektiv!

 

Aiakos:

Ich fürcht, hier wird dir's schlecht ergehn!

Noch immer woll’n die alten Herrn,

Dass nicht gelabert wird, gekotzt und

Ausgespien, was dann ganz kotig stinkt,

Sie woll’n, dass wahrer Dichter heißt nur der,

Der mutig trotz der Scheiße schwärmt!

 

Xanthias:

Lass sehn!

 

Aiakos:

Solch Zuversicht, mein Freund, die steht dir gut,

Machst Ehre damit deinem Stand. Jedoch

Vergiss im Übermut die Macht der Götter nicht!

 

Xanthias:

Ich pfeif auf alle Göttermacht!

Donner                                Und du?

 

Aiakos:

Die Dreistigkeit, mit der Dionysos

Du in Verlegenheit gebracht, vergisst

Der Gott dir nicht. Ich halt' mich da zurück,

Bin nur ein kleines Licht.

 

Xanthias:

Ein Schläger bist!

 

Aiakos:

Hab ich doch meine Freude dran!

 

Xanthias horcht:

Was gibt's

Da drinnen für Geschrei? 'Ne Prügelei?

 

Aiakos:

Euripides und Aischylos!

 

Xanthias:

Die zwei?

 

Aiakos:

Erst die, dann kommt der Rest der Zunft.

 

Xanthias:

Wie das?

 

Aiakos:

Es ist Gesetz bei uns im Totenreich,

Dass, wer im Stückescheiben droben einst

Der beste aller Kunstgenossen war,

Der kriegt im Hades-Rathaus freie Kost

Und thront gleich neben Pluton.

 

Xanthias:

Einer nur?

 

Aiakos:

Und wenn ein andrer kommt, der Größres noch

Geleistet, diesem tritt er ab den Thron.

 

Xanthias:

Und immer noch sind's Aischylos und der

Euripides, die um den Thron sich streiten?

 

Aiakos:

So ist’s! Einst hatte Aischylos den Sitz

In Ehren und ganz unbestritten. Doch

Dann kam Euripides und trat sogleich

Vor dem gemeinen Volke auf. Das schrie:

Der Ehrensitz gebührt Euripides!

 

Xanthias:

Und keiner schrie für Aischylos?

 

Aiakos:

Ein paar.

Die Klugen sind auch hier gar dünn gesät.

 

Xanthias:

Warum denn immer noch der Streit?

 

Aiakos:

Hör zu!

Als seinerzeit das Volk sich eingemischt,

Was Pluton gar nicht recht, Experten nur

Entscheiden über Kunst mit Sachverstand,

Rief Pluton Schiedsgericht und Wettkampf aus

Zur Prüfung beider Kunst.

 

Xanthias:

Und Sophokles

War nicht dabei?

 

Aiakos:

Der küsste Aischylos,

Gleich als er kam und drückte ihm die Hand,

Er will, sagt er, im zweiten Gliede stehn!

 

Xanthias:

Und all die andern haben auch verzichtet,

Der Goethe, Shakespeare, Brecht?

 

Aiakos:

Gemach!

Possierlich war der Herr Geheimrat. Dacht

Er doch, auf dem Olymp der Unterwelt

Zu thronen. Tief gekränkt verzichtet er.

 

Xanthias:

Und was tat Shakespeare?

 

Aiakos:

Aischylos

Musst weichen.

 

Xanthias horcht:

Lärm da drinnen immer noch!

Ich denk, der Streit ist ausgefochten?

 

Aiakos:

Brecht

Hast du vergessen! Der hat Shakespeare glatt

Entthront!

 

Xanthias:

Der Gauner! Drum soll der zurück

Nach oben. Doch warum noch immer Lärm,

Wenn alles längst entschieden ist?

 

Aiakos:

Geduld!

Das sind halt alte Herrn! Sie überwinden nicht,

Dass Sitz und Ruhm ein andrer inne hat.

Drum fängt der Streit allweil von vorne an.

Sie haben Zeit die ganze Ewigkeit.

Auch kommen immer neue an! Erst jüngst

Der Müller, vorher kreuzte Beckett auf.

 

Xanthias:

Der Richter, sag, wer ist nun der?

 

Aiakos:

Dein Herr

Ist jetzt im Amt!

 

Xanthias:

Wie kam denn das zustand?

 

Aiakos:

Die Wahl war schwierig. Männer sind hier rar

Mit Kunstverstand. Dionysos deshalb

Als großem Kenner aufgetragen wurd’,

Zu rechten und zu richten!

 

Xanthias:

Ich versteh,

Zu langweilig das Alte-Männer-Spiel,

Drum holt ihr mich, ich soll den Thron jetzt fordern.

 

Aiakos:

Ich fürcht, da ist dir was, ich weiß nicht was,

Zu Kopfe aufgestiegen! Nimm dein Pack,

Dann komm herein; denn längst schon soll ich dich

Da drinnen haben! packt ihn

 

Xanthias im Abgehen:

Prügel? Spar dir das!

 

Chor:

Wahrlich, der nassforsche Spross wird schrecklich

im Herzen erzittern,

Sieht er die Runde der Dichter, ergrimmt,

zum entscheidenden Urteil

Prüfen den Text; in erwachendem Staunen die Augen

rollen wird er fürchterlich;

Beißende Worte wird's setzen und Hybris

strafende Rüge,

Tadel, Kritik und Hohn, auch fein

ausgewogene Prügel,

Wenn die gewaltigen Meister vereint wie nie

diesen Stümper in die Pfanne haun.

Schüttelnd die zottige Mähne

des selten geschnittenen Haupthaares,

Blitzend mit altklugen Augen

wird rechtfertigende Worte

Eitel er schleudern wie Pfeile,

vergiftet und surrend,

Störrisch in Kleinbürgerwut!

Aber die Großen der Zunft, die gern

herrschen mit Bannstrahl und Schelte,

Toben sich aus, dass selbst Pluton

in arge Bedrängnis gerät.

Heilige Riten geraten ins Wanken im Hades

kurz vorm Ende der Welt.

Doch das letzte Wort hat Zeus!

 

 

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