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Die Frösche

 

 

 

 

 

Dritte Szene

 

 

Dionysos, Xanthias, der Chor, später Aiakos, die Magd der Persephone, zwei Wirtinnen

 

Dionysos:

He, Freund, lass Frieden schließen uns und sag:

Wie klopft man hier zu Ort wohl an die Tür?

 

Xanthias:

Das weißt du nicht? Als Herakles klopfst du!

Mit Kraft also wie's der Verkleidung ziemt!

 

Dionysos:

Wahrhaftig, ja, ihr Schreiber seid gewitzt

Und denkt normal, dass man das Schwitzen kriegt!

klopft

He, hallo!

 

Aiakos:

Wer da?

 

Dionysos:

Ich, Held Herakles!

 

Aiakos öffnet:

Du Lumpenkerl, Kanaille, feiger Schuft,

Du Hauptstrolch, Erzstrolch, oh du Strolch der Strolche,

Der unsren Höllenhund, den Kerberos,

Mein braves Tier, uns weggeholt, geklaut,

Du schlimmer Schelm! Und wagst es dennoch hier

Zu klopfen mit Dreistigkeit und frechem Hohn!

Na warte, Kerl, wir haben dich!

"Wir könnten einander in Ruhe abschlachten,

Und mit einiger Zuversicht

Wenn uns das Leben zu lang wird

Oder der Hals zu eng für unsre Schreie.

Was willst du von mir?

Hast du an einem Staatsbegräbnis nicht genug

Alter Schnurrer? Hast du kein Blut an den Schuhn?

Was geht mich deine Leiche an.

Sei froh, dass der Henkel heraussteht,

Vielleicht kommst du in den Himmel."

Du stehst noch hier? Gleich hab ich dich! ab

 

Dionysos:

Bei Gott, der kennt sich aus im neu'sten Text

Der Lit'ratur. Er wirft wie Steine ihn

Auf mich! Ich halt's nicht aus! kauert sich

 

Xanthias:

Was machst du, Held?

 

Dionysos:

Was ich gegessen!

 

Xanthias:

Peinlich, steh doch auf!

Der Held in dieser Stellung!

 

Dionysos:

Schwätzen, ja,

Und siehst es nicht, dass ich 'ner Ohnmacht nah!

Leg mir ein kühles Tuch aufs Herz!

 

Xanthias:

Ist's Angst?

 

Dionysos:

Leg auf!

 

Xanthias:

Da nimm!

 

Dionysos ihm die Hand führend:

Mach schnell!

 

Xanthias:

Da hinten? Mann!

Seit wann hast du dein Herz an diesem Ort?

 

Dionysos:

Hat dich der Schrecken nicht gepackt?

 

Xanthias:

So feig

Seid ihr?

 

Dionysos:

Ich feig? Hab ich denn nicht das Tuch

Verlangt? Das hätt' ein andrer schwerlich sich getraut!

 

Xanthias:

Was sonst?

 

Dionysos:

Gestunken hätt' er still!

Doch ich bekannte mich zu meiner Tat!

 

Xanthias:

Wahrhaft ein Heldenstück!

 

Dionysos:

Sehr wohl! Doch sag,

Der Schrecken packt dich wirklich nicht?

 

Xanthias:

Begreif,

Der Kot auf dem Papier als Lit'ratur

Verbreitet Schrecken nicht bei mir!

 

Dionysos:

Versteh,

Komm her, du bist ein ausgebuffter Kerl,

Drum sei mal ich und nimm das Löwenfell

Und hier die Keule, mutig wie du bist.

Ich aber will dieweil der Träger sein.

 

Xanthias:

Höchst aufschlußreich! Du traust dem Frieden nicht

Im Hades, schickst den Literaten vor,

Denn einer weniger von meiner Sorte,

Denkst du, kann nur von Nutzen sein!

 

Dionysos:

Du redest, redest,

Im Angesicht des Schreckens: Gleich kommt er

Zurück, und ich steh nackt!

 

Xanthias:

Gemach, noch ist's

Ja still! Der Tausch erfüllt die Wünsche nicht,

behält den Brustbeutel, nimmt Löwenfell und Keule

Musst sehn, wie du an harte Währung kommst!

 

Dionysos:

Das lass nur meine Sorge sein. Jetzt huck

Ich mir den Packen auf und warte ab!

 

Die Magd der Persephone kommt heraus

 

Magd:

Bist du's Herakles? Liebster, komm herein,

Sagt dir die Herrin. Als sie hörte, du

Seist angekommen nach so langer Zeit,

Musst Kuchen backen ich, auch Bohnenbrei

Wurd’ gleich gekocht, drei Töpfe voll, ein Stier

Am Spieß verbreitet Duft! Nun komm!

 

Xanthias:

Das lässt

Sich hören!

 

Magd:

Zögre nicht, sie hat auch Hühner

Gebraten höchst persönlich, Zuckerwerk

Herbeigeschafft und Weine honigsüß!

 

Xanthias:

Ich muss schon sagen...

 

Magd:

Ernsthaft, Herakles,

Du musst hinein! Ein Flötenmädchen auch

Erwartet dich und Tänzerinnen, schön,

Hätt ich doch auch Figur wie sie!

 

Xanthias:

Figur?

 

Magd:

Und zart und frisch! Die reinsten Jungfraun, ach!

 

Xanthias:

Was, Jungfraun?

 

Magd:

Ja, die Herrin meint, dein Drang

Sei ungestüm und wählerisch!

 

Xanthias:

Ganz recht!

Drum eil und gib da drinnen kund, ich komm!

Den Tänzerinnen sag, ich steh auf Jungfraun,

Hab für's Vergnügen auch Penunze mit.

 

Magd ab

 

Xanthias zu Dionysos

Und du, Halunke, hüt den Packen gut! will ab

 

Dionysos:

Halt an! Glaubst du im Ernst, ich mach das mit?

Du flötest mit 'ner Tänzerin, und ich,

Der Gott, schau zu? Gleich gibst du mir die Tracht

Zurück und wartest hier, bis ich dich ruf!

 

Xanthias:

Das hab ich gern! Die Losung glatt im Mund

Herumzudrehen!

 

Dionysos:

Lamentier hier nicht!

Herunter mit dem Löwenfell!

 

Xanthias:

Ihr Götter, seht,

Ein Narr in eurem Dienst!

 

Dionysos:

Was Götter da!

Der Narr bist du, der du das Zick und Zack

Des Lebens nicht begreifst! Nun gib schon her!

 

Xanthias:

Glaub nicht, dass ich bei diesem Kleidertausch

Den wahren Grund nicht längst durchschau!

 

Dionysos:

Schon gut,

Bewahr den Sinn dir fürs Geschäft mit Geld!

Jetzt heißt es hurtig umgezogen, Schuft!

 

Sie wechseln die Kleidung

 

Chor:

So versteht ein Mann zu handeln von Verstand

und Strategie, der jähe Wendungen beherzt

Für sich zu nutzen weiß und

Taktisch klug den sichren Schritt

Tut und nicht wie ein Götzenbild

Ewig steht auf einem Fleck! Sich drauf einzurichten,

Wenn man's bequemer haben kann,

Ziemt dem Weltenbürger von Chamäleons Talent.

 

Dionysos:

Aufgeklärt zwar bin ich, gönn dem Sklaven

Sogar Lüste, doch

Der Xanthias verdient sie nicht.

Wippte früher mit Geschick

Auf der Schaukel aller Dienste,

Preist jetzt nackte Reaktion.

Frevlerisch Handeln solcher Art

Kann nicht noch vergolten werden!

Wäre närrisch doch wohl arg,

Tummelt sich zum Lohn mit hübschen Puppen,

Während ich hock hier!

will ins Haus, zwei Wirtinnen kommen

 

1.Wirtin:

Plathane, Plathane!

Komm schnell, da ist er, der verdammte Kerl,

Der neulich bei uns eingekehrt und zwanzig

Laib Brot uns weggefressen!

 

2.Wirtin:

Saperlot,

Das ist er!

 

Xanthias:

Einen kenn ich, dem geht's schlecht!

 

1.Wirtin:

Und nebenher gut zwanzig Schweinewürstchen

Hat er aufgefressen!

 

2.Wirtin:

Meinen Knoblauch auch!

 

Xanthias:

Also muss er's büßen!

 

Dionysos:

Schandmaul, bist du toll?

Was redest du?

 

1.Wirtin:

Ja, ja, du denkst, weil du

Schön harmlos tust, erkennen wir dich nicht.

 

2.Wirtin:

Ach richtig, wieder fällt mir ein, wie er

Das Pökelfleisch vertilgt und frischen Käs,

Als sei sein Wanst ein bodenloses Loch!

Und als ich ihm die Rechnung zeigte, klotzt

Er wild mich an und stampft auf wie ein Stier!

 

Xanthias:

Das dacht ich mir, so treibt er's überall!

 

2.Wirtin:

Und zog den Säbel brüllend wie verrückt!

 

Xanthias:

Du armes Kind!

 

2.Wirtin:

Entsetzen packt uns,

Zu Hilfe schrien wir, rannten auf den Hof.

Da türmte er und nahm das Tischtuch mit.

 

Xanthias:

Sein Stil. Schon packt ihn neu die Gier!

 

1.Wirtin:

Das fehlte noch! Gleich ruf ich Beistand her!

 

2.Wirtin:

Auch ich will eilen und uns Hilfe holen!

Dem zahl ich's heim!

 

1.Wirtin:

Gleich komme ich zurück,

Dann schlag ich das Gebiss dir ein, womit

Du jüngst die Wirtschaft mir hast leergefressen!

 

2.Wirtin:

Befördert wirst' von uns ins Schinderloch!

 

1.Wirtin:

Zuvor jedoch mit einem Messer dir

Schneid ich die Gurgel auf, die Wecken fraß

Aus meiner Küch'! Und nichts bezahlt bis heut!

Treib Geld auf oder mach dein Testament!

beide ab

 

Dionysos zu Xanthias:

Ich muss verrückt sein, dass ich dich nicht liebe!

 

Xanthias:

Sieh an, sieh an! Vergebens dein Bemühn,

Noch mal werd ich Herakles nicht!

 

Dionysos:

Nicht doch!

Gib harte Währung mir und bleibe, was

Du bist. Bei Pluton dann zeug ich für dich!

 

Xanthias:

"Wenn du mich kennst,

Wie kannst du mein Freund sein!"

 

Dionysos:

Du hast ja recht, hast guten Grund, mir bös

Zu sein, selbst Schläge könnte ich verstehn!

Doch hör: Behalt dein Geld, ich will es nicht.

Deswegen war der Tausch auch nicht gedacht!

Die Lage hier ist unvermutet schwierig.

Was niemand mir vorausgesagt, man nimmt's

Im Hades neuerdings ganz pingelig

Genau! Drum hilf mir noch ein einzig Mal!

Die Herren hier sind Zeugen! Ich beschwör's,

Bei Pluton steh ich für dich ein.

 

Xanthias:

Das ist

Ein Schwur, der ist mir eine Prüfung wert!

sie kleiden sich wieder um

 

Chor zu Xanthias:

Wer so schnell die Meinung wechselt, hat's

gewiss bei sich bedacht!

Jetzt bist du Herakles wieder,

Musst denn wieder grimmig schauen,

Wie der Gott, den du nun vorstellst!

Ob das Tauschen sich gelohnt,

Wird die nahe Zukunft zeigen!

Wenn du kleinlaut bist und feig,

Deinem Gotte Schande machst,

Dann natürlich kriegst du wieder auf den

Rücken deinen Pack!

 

Xanthias:

Euer Rat, der lässt sich hören,

Männer! Euch vertraue ich.

Habe schon bei diesem Tausch

Still Gedanken mir gemacht.

Niemand spiele mit der Macht,

Verlautet in der Menschen Welt.

Will mal sehen, ob solch Sprüche

Auch im Hades gültig sind.

Zeuge werdet ihr sogleich,

Grimmig drein schau ich zwar mächtig,

Helfen aber wird mein Witz!

 

Aiakos kommt mit ein paar Knechten wieder heraus.

 

Aiakos:

Schnell fasst diesen Hundedieb,

Der wird gründlich büßen mir!

 

Dionysos:

Da geht's einem schlecht!

 

Xanthias:

Zurück, ihr Lumpenpack!

 

Aiakos:

He da, er wehrt sich!

Das hilft ihm nicht.

Fest zugepackt und haut

Ihn nieder!

 

Dionysos:

Leute, haltet ein! Er stahl

Ein bisschen. Nun, dafür gibt's heutzutag

Doch keine Prügel mehr. Hätt' insgeheim

Er es getan, mit einer Immobilie, wie's

In manchen Ländern Brauch jetzt ist,

Stichwort Leuna oder auch Minol,

Wo der Betrug schon in Milliarden geht,

Da wären Prügel angebracht! Glaubt mir!

 

Aiakos:

Was red' der Sklav'? Kommst wohl von oben, wie?

Halt uns nicht auf! Jetzt fasst ihn schnell!

 

Xanthias:

Halt ein!

Lass sagen dir, es hol' mich der und jener,

Wenn jemals ich bin hier gewesen

Und eine Mücke dir gestohlen hab!

 

Aiakos:

Den Hund, den Kerberos!

 

Xanthias:

Ich spür, du bist empört.

Lass handeln uns ganz ehrlich, hab Geduld!

Pack meinen Sklaven dort und foltre den,

Und findest du mich schuldig, schlag mich tot!

 

Aiakos:

Den foltern? Wie?

 

Xanthias:

Wie du willst! Schnür ihn auf

Die Leiter, häng ihn, peitsch ihn mit dem Seil

Die Haut vom Leibe, schraub ihn, gieß ihm Essig

Ins Ohr und in die Nase, glühend Eisen

Gib ihm ein, alles so, wie du es willst!

Nur quäl ihn nicht mit Lauch und Zwiebelröhrchen!

 

Aiakos:

Ein faires Angebot. Ich schlag den Kerl

Zum Krüppel dir! Nimmst Geld für den Verlust?

 

Xanthias:

Ich danke. Foltre ihn, wie du es willst!

 

Aiakos:

Nein, zeugen soll er dir ins Angesicht!

zu Dionysos

Wirf ab den Sack, stell dich bereit und heul

Nicht Lügen mir ins Ohr!

 

Dionysos:

Gewarnt sei jeder:

Ich bin ein Gott! Und mich zu foltern, rat

Ich nicht!

 

Aiakos:

Ein Gott?

 

Dionysos:

Unsterblich ich, Zeus Sohn

Dionysos! Und der mein Sklav’!

 

Aiakos zu Xanthias:

Hörst das?

 

Xanthias:

Ein Schwätzer, Großmaul, sag ich euch.

Die Folter setzt ihm doppelt an. Ist er

Ein Gott, macht's ihm nichts aus, er spürt es nicht!

 

Dionysos zu Xanthias:

Mein Freund, vortrefflich ist dein Witz. Doch sag,

Bist du nicht auch ein Gott? Willst schänden du

Der Götter Ruf?

 

Xanthias:

Ihr Götter schachert wie

Die Krämer. Gut denn! Wen von uns zuerst

Du stöhnen hörst bei deinen Schlägen, der,

Das kannst du glauben fest, war nie ein Gott!

 

Aiakos:

Das leuchtet ein. Voran denn! Zieht euch aus!

Sie ziehen sich aus

 

Xanthias:

Moment noch! Zählst du auch gerecht?

 

Aiakos:

Erst dir,

Dann ihm! Ich denk, das reicht dann schon! Er stöhnt

Gewiss beim ersten Hieb.

 

Dionysos:

Bei mir fang an!

 

Xanthias:

Das Großmaul! Hier, schau zu, ich zuck nicht mal!

 

Aiakos:

Das Hin und Her, jetzt reicht es mir!

entscheidet sich für Xanthias, schlägt zu

Da ist dein Teil!

 

Xanthias als habe er nichts gespürt:

Nun schlag doch!

 

Aiakos:

Nichts gespürt?

So'n Gott hat doch ein raues Fell! Muss jetzt

Dem andren eins versehn. Gleich gibt's den Schrei!

schlägt auf Dionysos

 

Dionysos:

Was zögerst du?

 

Aiakos:

Ich? Zögern? Merkwürdig,

Muss jetzt den andren wieder kitzeln!

 

Xanthias:

He,

Wo bleibst du denn?

Aiakos schlägt.           Ah, ah!

 

Aiakos:

Ah, ah? Tut's weh?

 

Xanthias:

Nicht doch! Viel Geld sah ich, ah, ah!

 

Aiakos:

So, Geld

Lockt Töne aus dir raus! Verkommner Gott!

Der andre! schlägt Dionysos

 

Dionysos:

Uh, uh!

 

Aiakos:

Schreist wie'n Kauz, scheint mir,

Du Gott!

 

Dionysos:

Vor Langeweile dös ich schon!

Nun endlich schlag!

 

Aiakos:

Verspürst du keinen Schmerz?

 

Dionysos:

Nicht im geringsten!

 

Aiakos:

Ist der andre dran!

schlägt Xanthias

 

Xanthias:

Au, au!

 

Aiakos:

Nun jetzt?

 

Xanthias:

Das Geld im Beutel juckt!

 

Aiakos:

Was soll der Dreh? Bestechlich bin ich nicht!

schlägt Dionysos

 

Dionysos schreit:

"Heute wird nichts mehr gezahlt für Gedichte,

Das ist es."

 

Xanthias:

Ah, hast du gehört? Er schrie

Vor Schmerz!

 

Dionysos:

Wer ich? Der Stumpfsinn sei verdammt!

Ein Satz von Brecht derweilen fiel mir ein.

Nun schlag doch endlich.

 

Aiakos:

Hau ich den!

 

Xanthias:

Verflucht!

Halt ein! 'S ist jämmerlich, dir zuzusehn,

Du quälst dich ab, wir spüren nichts. Hier nimm,

Den Schein von harter Währung und vergiss

Den Groll. Vielleicht ist allen so gedient.

 

Aiakos:

Du Gauner, Schurke, hab ich dich entdeckt?

An solchem Geld vergreift sich nie ein Gott!

 

Xanthias:

Dann schlag!

Aiakos schlägt

Dann schlag!

 

Aiakos:

Ist's der!

schlägt Dionysos

 

Dionysos:

"Sklave, wer wird dich befreien?"

 

Xanthias:

Das führt zu nichts! Der rezitiert den Brecht,

Das hält er Wochen durch!

 

Aiakos:

Geht hinein!

Mein Herr ist selber Gott, soll er doch schaun,

Wer von euch zwei'n betrügt!

 

Dionysos:

Die Prügel, Kerl,

Ich wünschte dir, du hätt'st sie mir erspart!

 

alle ab

 

Chor:

Schweb in den Mimen-Tempel, oh Muse, leih

Unseren weltlichen Liedern ein gnädig Ohr,

Komm und betrachte der Zuschauer Menge, wo

Zahlende Bürger erwartungsvoll sitzen,

Jugend auch und gar Weiber viel,

Sehender als all die Laffen und Fritzen,

Denen aus kotiger Feder,

Bohrend im After der Welt,

Mystische Anschauung quillt,

Gierig auf Beifall von rechts.

Kunstvoll verzier’n sie den Dunst ihres Geists,

Doch erkennt bald jeder

Ihre kranke Phantasie!

 

Chorführer:

Wohl geziemt's dem Chor der Mimen,

was dem Volke frommen mag,

Vorzuschlagen und zu raten.

Dies vor allem rufen wir:

 

Chor:

Sollen froh die Bürger leben,

macht das Geld nicht allzu knapp!

Und von einer neuen Währung

lasst die goldberingten Finger!

 

Chorführer:

Wer erlebt in rauen Zeiten

nicht nur eine Klassenschlacht,

Fragt im Alter nun die Jugend:

Was hab ich denn falsch gemacht?

 

Chor:

Einheit war ein Wunsch des Volkes.

 

Chorführer:

Und wer lebt am besten jetzt?

 

Chor:

Schaut ins Land, doch nicht mit Brille

rosarot und schlecht geputzt!

Wer sich redlich mühte früher

und dabei sich nicht geschont,

Ist geduldet nun als Bürger,

lebt zwar frei, doch arm im Staat.

Wer jedoch im Land der Ossis

eine Immobilie kaufte,

Und gar Eigentum des Volkes

mit ner lump’gen Mark erwarb,

Der versklavt mit seinem Gelde

nun die Leute hier und dort

An die alten Mächte des Besitzes.

 

Chorführer:

Und es stört ihn nicht!

 

Chor:

Oder wer, im Dienst der Dienste,

die noch immer ihre Akten

Wohlverwahrt in Bunkern hüten,

immer wieder Hetze macht,

Hängt, auch gegen seinen Willen,

an des Teufels Kette fest.

 

Chorführer:

Nun wohlan, lasst ab vom Grollen,

klug und weise, wie ihr seid,

Woll’n als Bruder einen jeden

ohne Skrupel an uns ziehn,

Gleichberechtigt jeder Bürger,

der wie wir dem Wohle dient.

Wenn wir mit den Bürgerrechten

schludern stur aus Tagesfrust,

Dann die Nachwelt unsrem

Handeln wenig Lob wird zolln.

 

Chor:

Lasst uns wagen mehr Demokratie!

 

Chorführer abwinkend:

Fest in den Klauen der Bosse!

 

Chor:

Nicht, wie die Alten träumten, in der Plebejer Hand?

 

Chorführer:

Wählen immerhin kann jeder ganz geheim.

 

Chor:

Aber die Banken, die Hüter von Geld und Macht,

All ihre Helfer in den Parteien, wir wissen’s sehr wohl,

Stört das nicht beim Geschäft!

Je nach Bedarf gibt's Koalition, groß oder klein!

Mann auf der Straße, mit Obdach vielleicht noch,

Selbst du, Bürger mit Arbeit und Brot,

Öffne die Augen und stoppe

Die elende Schraube der Steuern!

 

Chorführer:

Bürger, die wir kennen, lauter im Charakter, einsichtsvoll,

Männer, Frauen, bienenfleißig, makellos, gerecht und gut,

Unverdrossen bei der Arbeit, bescheiden stets im Hintergrund,

Die, gesteht es, übersehn wir,

Und die Wuchrer, Räuberpack,

Haie hinterm Börsentisch, große, kleine, dulden wir.

 

Chor:

Weil den Filz in diesem Staate niemand aus den Angeln hebt.

 

Chorführer:

Aber, Bürger, göttlich Walten steht uns hier bestimmt nicht bei!

Nur was wir beherzt verändern, tilgt die Geldgier, macht uns frei.

Braucht die Guten uns zum besten,

lasst die Gauner leer ausgehn,

Alles Privileg aus Wucher passt nicht

in des Volkes Gunst.

Was ihr tut, verrichtet's redlich,

und euch lohnt der G'meinen Lob!

 

ziehen ab

 

 

 

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