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Axel im Hexenkessel

         Märchenspiel

 

 

 

 

 

3. Bild

                   (Lichtung im Märchenwald)

 

 

1. Szene

 

(Axel und Schneiderlein kommen erschöpft, sinken an der Rampe nieder.)

Axel: Mann, mir knurrt vielleicht der Magen!

Schneiderlein: Wenn ich jetzt meinen Käse hätte!

Axel: Komisches Gefühl! Hatte ich noch nie! Ist das Hunger?

Schneider: Genau!

Axel: Oder eine Magenverstimmung?

Schneider: So kann man es auch nennen.

Axel: Wir müssen trotzdem weiter!

Schneiderlein: Ja, müssen wir! (schaut sich um) Oh, sieh da, Walderdbeeren!

Axel: Walderdbeeren? Kenne ich nicht!

Schneiderlein: Was zu futtern! Los!

(Beide stürzen sich über die Walderdbeeren her, essen)

Schneiderlein: Hunger ist was Schlimmes!

Axel: Ich wusste gar nicht, was das ist! Bei meiner Mama gibt’s immer genug zu futtern!

Schneiderlein: Oder wenn‘s genug Walderdbeeren gibt! (isst) Mm, die schmecken!

Axel: Bin froh, dass uns der Riese nicht gefunden hat!

 

 

2. Szene

 

Wolf (kommt hervor): Aber ich habe euch gefunden! (ärgerlich) Jetzt habt ihr meine Beeren weggefressen!

Schneiderlein: Red kein Blech, Grauer, sag lieber, was dir die Hexe aufgetragen hat.

Wolf: Na schön! (zu Axel) Hast dir’s  überlegt? Gold für Spielzeug! Das gibt es nur im Märchen!

Axel: Kann schon sein! Aber ich tausche nicht!

Wolf: Madame Schlampig würde sehr großzügig sein!

Axel: Interessiert mich nicht. Sag mir lieber, wie es den Mädchen geht!

Wolf: Wenn ich mich nicht sehr irre, füllt Freund Goliath gerade den Kessel mit Wasser. Dornröschen wird die erste sein.

Axel (zum Schneiderlein): Die Hexe macht ernst!

Wolf: Und wie ernst! (zum Schneiderlein) Dir soll ich sagen, und du sollst es geschwind dem König sagen, dass sie Dornröschen in den Kessel werfen lässt, wenn ihr Herr Papa nicht das Lösegeld zahlt!

Schneiderlein: Termin?

Wolf: Was heißt Termin?

Schneiderlein: Termin heißt Termin!

Wolf: Verstehe ich nicht!

Axel: Na, du Genie, wir wollen wissen, wie lange die Hexe noch warten wird!

Wolf: Ach so! Ja, da würde ich mal sagen, sie wartet überhaupt nicht. Ihre Geduld ist zu Ende, sagt sie. Ich spüre das auf meinem Hinterteil.

Schneiderlein: Sie verdrischt dich?

Wolf: Mein Problem! Also, meine Herren, ab zum König und Lösegeld bringen! (will ab)

Schneiderlein: Na Moment mal! Wie soll denn das gehen?

Wolf: Ihr sollt gehen!

Schneiderlein: Mach keine Faxen! Ist doch alles noch offen!

Wolf: Was ist offen?

Schneiderlein: Na! Große Scheine, kleine Scheine? Zum Beispiel!

Wolf: Du verplemperst die Zeit, Mann! Ist doch schnurz ob große oder kleine Scheine! Geld ist Geld! Im Koffer, im Sack, in der Kiste! Völlig egal! Die Hauptsache Geld! Hier tanzt hier an und ich hole euch ab! Klar?

Axel: Klar!

Schneiderlein: Na Moment mal!

Wolf (ungehalten): Noch was?

Schneiderlein: Ja, Mann! Wer garantiert, dass die Mädchen noch leben, wenn wir mit dem Geld kommen?

Wolf: Ich garantier für gar nichts!

Axel: Oh!

Schneiderlein: Ja, dann wird das nichts!

Wolf: Also macht, was ihr wollt! Ich habe euch ausgerichtet, was ich euch sagen sollte, jetzt such ich mir Walderdbeeren. Und ihr, ihr klaut nicht wieder, statt Schotter zu holen! Zieht los, sonst kann es zu spät sein! (flink ab)

 

 

3. Szene

 

Axel: Du musst sofort zum König! Ich such weiter nach den Mädchen!

Schneiderlein: Hat keinen Zweck!

Axel: Keinen Zweck? Selbstverständlich such ich die Mädchen!

Schneiderlein: Zum König zu gehen, meine ich!

Axel: Ach so! Und warum nicht?

Schneiderlein: Er zahlt nicht!

Axel: Aber es geht um seine Tochter!

Schneiderlein: Das lässt den kalt!

Axel: Das kann doch nicht wahr sein!

Schneiderlein: Ist es aber! Er hat mich losgeschickt, den Riesen zu töten und dann die Mädchen zu befreien. Wenn ich ohne die Mädchen zurückkomme, steckt er mich ins Loch! Basta! Da sitz ich bis zum jüngsten Tag!

Axel: Ganz schöner Tyrann, was?

Schneiderlein: Wie die Könige so sind!

(gewaltiges Raunzen kommt näher.)

Schneiderlein: Oh, das hört sich aber gar nicht gut an!

Axel (der nach seinem Schwert greift): Der Riese!

Schneiderlein: Genau!

Axel (zeigt staunend in die Kulisse): Das soll der Riese sein?

Schneiderlein: Steht doch dran!

Axel: Ah, jetzt seh ich’s!

Schneider: Los, verstecken! (zieht Axel hinter einen Baum.)

 

 

4. Szene

 

Riese (stapft schnaufend heran, sucht die Walderdbeeren): Donner und Doria, alles weggefressen! Halunken! Wo seid ihr? Kommt hervor, ihr Verbrecher! Oder ich dreh euch den Hals um! (schaut sich herausfordernd um) Feige Bande! Ihr steckt doch hier irgendwo! Also hört mal gut zu! Ihr gebt mir das Schwert, und ich lasse euch in Frieden! Habt ihr gehört? Ich ruh mich hier ein bisschen aus, (setzt sich nieder) und ihr überlegt es euch! Madame Schlampig wollte gegen Gold tauschen, aber ihr habt nicht mitgemacht! Jetzt werde ich euch das Ding abknöpfen, so oder so! Also gebt es mir, und ich ziehe ab! (legt sich lang) Noch habe ich Geduld! Leg mich sogar lang! Wenn Madame das sehen würde, würde sie Gift und Galle spucken! Aber ich bin ein friedlicher Mensch! Au! (fasst sich an dem Kopf) Was ist das denn? Au! (fasst sich ans Bein) Au! (fasst sich an den Kopf, erhebt sich wütend) Saubande! Haut mir Steine an die Rübe! Ich werd euch Mores lehren!

Schneiderlein (kommt mit Schwert fuchtelnd hervor): Und wir dir! (ab)

Riese (will zu ihm hin): Du miese kleine Ratte!

Axel (kommt an anderer Stelle hervor): Und wir dir!

Riese (dreht sich zu Axel um): Du Wicht, gleich habe ich dich! (auf ihn zu)

Axel: Hilfe! Hilfe! (fuchtelt verzweifelt mit dem Schwert.)

Riese (plumpst - wie von einer unsichtbaren Kraft zurückgestoßen - auf den Popo): Au!

Axel: Oh! (fuchtelt weiter voller Angst mit seinem Schwert) Oh!

Riese: Au! Au! Au! (im Nu auf allen vieren auf und davon.)

 

 

5. Szene

 

Axel (zittert): Mann, hast du das gesehen?

Schneiderlein (kommt heran, steckt sein Schwert weg): Tolles Ding, dein Spielzeug! Alle Achtung! War aber auch nötig, sonst hätte der Eumel Kleinholz aus uns gemacht!

Axel (zittert): Ich zittere am ganzen Leib!

Schneiderlein (zeigt auf Axels Schwert): Mit dem Ding hau ich sieben Riesen in die Flucht!

Axel: Gute Idee! (reicht ihm das Schwert) Mach du das! Mach du das! Jag du den Riesen, und dann los zur Hexe!

Schneiderlein (reckt sich siegessicher auf): Der wird so schnell nicht wieder kommen!

Axel: Denkste, da kommt er! (geht hastig in Deckung)

 

 

6. Szene

 

Riese (brüllt noch hinter der Szene): Hu, hu! Jetzt pack ich euch! Hu, hu! Jetzt knack ich euch!

Schneiderlein (bleibt trotzig stehen): Komm nur, du Lulatsch! Gleich gibt’s eine Kopfnuss!

Riese (kommt vorsichtig hervor): Rückt das Ding heraus!

Schneiderlein (selbstbewusst, das Spielzeug-Schwert auf dem Rücken haltend): Rück du die Mädchen heraus!

Riese: Oh, da müsst ihr schon Madame fragen! (tritt etwas näher)

Schneiderlein: Dann kannst du das Schwert nicht kriegen!

Riese: Dann muss ich es eben holen!

Schneiderlein (immer noch stolz aufgereckt trotzend, das Schwert auf dem Rücken haltend): Dann hol es dir, du Speckschwarte!

Riese: Du Giftnudel! (kommt etwas näher)

Schneiderlein: Du Dickwanst!

Riese: Du Stecknadel! (kommt etwas näher)

Schneiderlein: Du Saufsack!

Riese: Du Dünnbier! (kommt etwas näher)

Schneiderlein: Du Dämlack!

Axel (verzweifelt): Mann, was machst du? Du musst mit dem Schwert fuchteln!

Schneiderlein (wendet sich ihm zu): Nur die Ruhe!

Riese (rennt in dem Moment los und auf das Schneiderlein zu)

Axel (schreit): Er kommt!

Schneiderlein (fuchtelt sofort mit dem Schwert): , , !!

Riese (zeigt keinerlei Reaktion, ist schon beim Schneiderlein, packt es und entreißt ihm das Schwert): So, du Wanze! Jetzt könnt ich dich zertreten! Aber ich bin ein friedlicher Mensch! Mir reicht das komische Ding! Ihr zwei, ab zum König, holt das Lösegeld! (geht hohnlachend ab.)

 

 

7. Szene

 

Schneiderlein (sinkt in sich zusammen): Ich bin alle!

Axel: Eine doofe Nuss bist du!

Schneiderlein (trostlos): Es hat nicht funktioniert, Mann!

Axel: Hab ich gesehen!

Schneiderlein: Irgendwie hätte man es wissen können!

Axel: Bist keine doofe Nuss, entschuldige!

Schneiderlein: In dem Holz steckt ein Zauber!

Axel: Und der wirkt nur bei mir!

Schneiderlein: Genau!

Axel: Und wenn‘s die Hexe erfährt?

Schneiderlein: Glaub ich nicht! Der Goliath wird ihr das nicht verraten! Den Ärger gönnt er ihr!

Axel: Wird sie noch wütender! Und wir sind hilflos! Sie hat mein Schwert!

Schneiderlein: Mist elender!

Axel: Du musst zum König!

Schneiderlein: Genau! Er muss seine Reiter schicken. Oder er sieht seine Tochter nicht wieder! Komm, los! (will aufbrechen)

Axel: Moment! Zum König gehst du! Ich such die Hexe!

Schneiderlein: Was?

Axel: Habe eine Idee!

Schneiderlein: Auch das noch!

Axel: Vielleicht tauscht sie mich gegen die Mädchen! Bis du mit den Reitern kommst! Oder mit Geld!

Schneiderlein: Bist du lebensmüde?

Axel: Du kennst keine Krimis, Mann! Das ist eine Geiselnahme, was hier läuft! Und ich mach jetzt den Kommissar und opfere mich für die Geiseln!

Schneiderlein: Du bist aber nicht im Film hier, du bist in einem Märchen! Bei der Hexe bist du verloren!

Axel: Ich denke, du kommst mit hundert Reitern!

Schneiderlein: Der König schickt doch nicht wegen dir Furzer seine Armee!

Axel: Der König soll mich mal!

Schneiderlein: Freundchen! Freundchen!

Axel: Klarer Fall!  Ich hole mein Schwert zurück!

Schneiderlein: Bist du toll!

Axel: Ich muss es versuchen!

Schneiderlein: Die Hexe wird dein Zauberding gut verstecken, darauf kannst du Gift nehmen!

Axel: Wir schwätzen und schwätzen und die Zeit läuft uns davon!

 

 

8. Szene

 

Wolf (erscheint an der Rampe): Hallo Leute!

Schneiderlein: Du schon wieder?

Wolf: Ich seh kein Geld!

Schneiderlein: Bin schon unterwegs! Hast du herausgekriegt, wie lange die Schlampig noch wartet?

Wolf: Das Wasser wird schon warm!

Axel: Isegrim! Ich habe einen Vorschlag!

Wolf: Was willst du vorschlagen? Dein verrücktes Holz haben wir! Hast nichts mehr zum Tausch!

Axel: Doch! Mich!

Wolf: Blöder Einfall! Vergiss ihn!

Axel: Wieso?

Wolf: Weil die Hexe auf dich nicht scharf ist!

Axel: Ich bin ein Mensch!

Wolf: Na und?

Axel: Na hör mal, was denkst du von uns Menschen?

Wolf: Dich Dreikäsehoch braucht die Hexe nicht!

Axel: Bist du sicher?

Wolf: Nee, sicher nicht!

Axel: Siehst du, bist wenigstens eine ehrliche Haut!

Schneiderlein: Das geht schief!

Wolf (zum Schneiderlein): Warum ziehst du nicht endlich los, du Witzbold!

Schneiderlein: Na schön, gehe ich eben!

Wolf: Und komm mit Geld zurück! Ich erwarte dich hier! Und den Kleinen bring ich inzwischen zur Hexe, soll er sehen, was er davon hat!

Schneiderlein (boshaft): Und du kriegst die Hucke voll! Ha, ha!

Axel (ärgerlich): Bist du doof? Isegrim, lass dich nicht verwirren!

Wolf (setzt sich verunsichert): Oh, vielleicht hat er recht. Die Schlampig ist ein Ungeheuer!

Axel: Mann, Isegrim, versteh doch, ich bin für sie ein wertvollerer Pfand als diese Schnepfen!

Schneiderlein (verblüfft): Schnepfen?

Axel (bedeutet ihm mitzuspielen): Schnepfen! Ist doch klar! Isegrim, die Hexe wird dich nie mehr verhauen! Sie wird dich auf Händen tragen!

Schneiderlein: Ja, sie wird dich graulen! Überall!

Wolf (aufmerkend): Streicheln?

Axel: Und wie!

Wolf (wehmütig): Mich hat noch nie jemand gestreichelt!

Schneiderlein: Na siehst du!

Wolf (tut empört): Und warum haust du nicht ab endlich?

Schneiderlein: Geh ja schon! (ab)

 

 

9. Szene

 

Wolf Wir gehen da lang!

Axel: Ist es weit?

Wolf: Also hör mal! Weit oder nicht weit, es ist geheim! Klar?

Axel: Ah, verstehe!

Wolf: Und wenn du nicht den Schnabel hältst, wird er zugeklebt!

Axel: Oh!

Wolf: Und damit du uns nicht verraten kannst, bindest du dir jetzt die Augen zu! Zieh deine Jacke aus!

Axel: Oh, muss das sein?

Wolf: Entweder oder!

Axel: Mach ja schon! (zieht die Jacke aus)

Wolf: Leg sie dir vor die Augen und bind sie fest!

Axel: Also weißt du...

Wolf. Entweder oder!

Axel: Ich mach ja schon! (bindet sich seine Jacke vor die Augen) Und nun?

Wolf (schubst ihn): Da lang!

- Vorhang -